Am 30. Juni jährt sich Ihr erstes Date zum vierten Mal. Seither leben Sie gemeinsam in Rosental. Wie erleben Sie die Akzeptanz eines gleichgeschlechtlichen Ehepaars am Land?
Michaela Weixler: Wir machen auf jeden Fall mehr positive als negative Erfahrungen. Natürlich gibt es Leute, die lästern. Die wird es wohl immer geben. Das hat unserer Erfahrung nach aber gar nichts mit Land oder Stadt zu tun, zuletzt ist es uns etwa in Graz passiert, dass eine Dame ganz offensichtlich schockiert davon war, dass wir Hand in Hand gegangen sind. In der Nachbarschaft oder zum Beispiel bei der Arbeit begegnet man uns entweder freundlich oder neutral, ganz normal eben. Und man sollte sich im Leben ja ohnehin auf die netten Menschen konzentrieren (lacht). Man muss ja auch nicht lesbisch sein, damit Leute über einen blöd reden.
Als Bärnbacher Amtsleiterin und Rosentaler Vizebürgermeisterin haben Sie exponierte Positionen im Bezirk inne. Hat es hier für Sie je einen Unterschied gemacht, mit welchem Geschlecht Sie ausgehen?
Martina Weixler: Hier habe ich ein sehr schönes Erlebnis gehabt. Als ich wegen Michaela zurück in die Weststeiermark gekommen bin, habe ich mich ganz zaghaft öffentlich eingebracht. Konkret etwa ein paar Leserbriefe geschrieben. Und einer davon hat dem Ex-Bürgermeister Engelbert Köppel so gefallen, dass er Kontakt mit mir aufgenommen hat. Wir haben geredet und schließlich wollte er mich für den Gemeinderat gewinnen. Im Vorhinein habe ich ihm dann privat erzählt, dass ich eben mit einer Frau zusammenlebe. Damit es für ihn gegebenenfalls keine unangenehme Überraschung gibt. Er hat nur genickt, mir zur baldigen Hochzeit gratuliert und gefragt, wann ich anfangen könne. Es hätte ihm gar nicht egaler sein können, diese Normalität war sehr schön.
Apropos Normalität – wann haben Sie jeweils gemerkt, dass Sie sich zu Frauen hingezogen fühlen?
Martina Weixler: Bei mir war es relativ früh, nämlich in der Pubertät. Da habe ich einfach gemerkt, dass mir eher Frauen einfallen, wenn Freundinnen darüber reden, auf wen sie stehen. Ich wusste damals aber noch gar nicht, was 'lesbisch' ist oder dass es dafür einen Begriff gibt. Als Allererstes habe ich es dann lustigerweise gegoogelt. Im Netz habe ich dann gelernt, dass es viele Menschen wie mich gibt, das war schon einmal beruhigend. Trotzdem hat es mich viel gekostet, es offen auszusprechen. Ich habe mir bei den RosaLila Pantherinnen in Graz Beratung geholt, bevor ich mein 'Coming-out' hatte. Und das war dann mit sehr gemischten Gefühlen verbunden, in der Schule gab es durchaus auch Spott oder Ekel. Und zu Hause hat meine Mutter mehrere Jahre gebraucht, bis sie wirklich verstanden hatte, wie es mir geht.
Selbe Frage, andere Tischseite. Michaela Weixler, waren Ihre Erlebnisse ähnlich?
Michaela Weixler: Bei mir war es komplett anders. Ich habe es in der Jugend im Kopf gehabt, aber schnell vergraben. Ich war auch viele Jahre mit einem Mann zusammen. Als Erwachsene hatte ich eine schwere Krankheit inklusive Krankenhausaufenthalt. Dort habe ich dann, so kitschig es klingen mag, einen Film gesehen, in dem sich zwei Frauen ineinander verlieben. Da hat es wohl 'klick' gemacht. Ich habe dann einige Bücher zum Thema gekauft und mich informiert. Da hat es rückblickend auf einmal viel Sinn gemacht für mich. Mein 'Coming-out' hatte ich mit Ende 40, also auch das gibt es (lacht). Es war auf eine Art aber auch einfacher, weil ich ja schon mitten im Leben stand, ich war nicht mehr so auf andere angewiesen, wie man es in der Jugend ist.
Sie sind verheiratet, vor Kurzem haben Sie sich auch den Kinderwunsch erfüllt und ein Pflegekind aufgenommen. Welche Voraussetzungen muss man hier erfüllen?
Michaela Weixler: Als wir uns entschieden hatten, ging es eigentlich sehr schnell. Nach einem Monat wurden wir verständigt, dass es ein Kind gäbe, das Platz braucht. Wir hatten ursprünglich über andere Optionen nachgedacht, ein Pflegekind aufzunehmen schien uns am Ende am sinnvollsten. Von organisatorischer Seite her war man sehr froh, dass wir uns für ein Kind interessieren. Es wurde unser Haus angeschaut, wir mussten unsere Finanzen offenlegen und so weiter. Dass wir zwei Frauen sind, kam gar nie zur Sprache. Jetzt ist unser Sohn hier bei uns, ein sehr fröhlicher, gescheiter Bub. Er geht im Bezirk in den Kindergarten, die Reaktionen auf uns als zwei Mütter waren nie negativ.
Anlässlich des 'Pride Month' Juni kommen vielleicht auch andere ins Nachdenken. Haben Sie Tipps für junge Menschen, die sich unsicher fühlen oder sich outen wollen?
Martina Weixler: Redet darüber! Ihr könnt gerne mit uns Kontakt aufnehmen, oder ihr sucht euch Beratung, es gibt viele Gruppen. Aber bei der Jugend geht heute ohnehin viel über das Internet, auch über soziale Medien kann man sich vernetzen und Anschluss finden. Mut gehört dazu, auch wenn etwa das Outing natürlich nicht leicht ist. Es hat sich glücklicherweise viel getan, das Thema Homosexualität wird heute ganz anders behandelt als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Die Ehe für alle war etwa hierzulande ein großer Meilenstein. Natürlich ist noch nicht alles toll, ich sehe unsere Gesellschaft aber ehrlich gesagt auf einem guten Weg. Mein Tipp ist aber auch, dass man auf Negativität gefasst sein muss. 'Schwul' ist immer noch ein Schimpfwort, das sehr leichtfertig in den Mund genommen wird. Und man begegnet Vorurteilen. Etwa, dass wir als Lesben totale Männerhasserinnen sind. Was Blödsinn ist.
Georg Tomaschek