Über Schienen hinauf auf den Berg, die Gesteinsbrocken kullern an der Felswand herunter und wenig später öffnet sich unter einem ein tiefer Abgrund – über Schienen rattert der Wagon der Achterbahn in die Tiefe, kurz fühlt es sich an, als würde man den Boden unter den Füßen verlieren. "Wenn der Wagen steht, können Sie die Brille abnehmen", tönt es plötzlich im Hintergrund, die Illusion ist zerstört, langsam kehrt die Wirklichkeit zurück.
Die vier Virtual-Reality-Brillen, mit denen die Landesberufsschule Voitsberg gerade arbeitet, sind ein modernes Spielzeug, doch in Zukunft sollen die Geräte nicht nur Spaß vermitteln, sondern zu einem nützlichen Tool in der Ausbildung junger Menschen werden. Mit dem Projekt "DigiLernSicher" sollen neue Lernmethoden gefunden werden, mit denen Menschen, die gerade eine Lehre machen, auf kreative Weise ihr Wissen trainieren oder sich aneignen können. "Primär geht es um die Sicherheit am Arbeitsplatz, im technischen Bereich kann viel passieren, wenn Leute unerfahren sind. Mit den VR-Brillen wird ein Teil der Gefahr genommen und außerdem ist es ein kreativer Zugang, der das Lernen abwechslungsreich und erfolgreicher machen kann", sagt Michael Neumayr von der Kommunikationsabteilung des Wifi Steiermark.
Virtuelle Steckdosen überprüfen
Das Wifi hat das Projekt ins Leben gerufen, die Berufsschule in Voitsberg wurde für die Feldstudie ausgewählt. "Das hat super gepasst, da die Schule Elektrotechnik-Lehrlinge unterrichtet und auch Labore betreibt, das Programm in den VR-Brillen ist eine tolle Ergänzung", so Neumayr. Die beiden Elektrotechnik-Klassen im vierten Lehrjahr testen die Brillen bereits seit einer Woche täglich. Luca Ertl ist schon ein Profi, geschickt bewegt er die beiden drahtlosen Controller und ist ganz in die Welt, die sich in der Brille auftut, eingetaucht. Sicherungskasten und Steckdosen überprüfen, in der virtuellen Welt ist es ein Prozess wie im realen Leben. "Ersetzen kann das 'echte' Arbeiten aber natürlich nichts", sagt Schüler Marcel Kolar. Begeistert von der Technik ist er trotzdem. "Ich will mir jetzt privat auch eine Brille kaufen", lässt er wissen. "Als Abwechslung zum Unterricht ist es eine ziemlich coole Sache."
Ganz einwandfrei ist die programmierte Wohnung aus Code und Pixeln für die Schüler nicht, in manchen Punkten könne man noch realistischer sein, sagen sie. Schwierigkeiten bei der Anwendung haben sie nicht. "Da gewöhnt man sich schnell", so Kolar. Den Lehrerinnen und Lehrern hat er da teilweise etwas voraus. "Manche haben sich ein wenig geplagt zu Beginn und waren skeptisch", schmunzelt Berufsschuldirektor Johann Hiden.
Mehr Fachbereiche in Planung
Programmiert wurden die einzelnen Spiele von der Mindconsole GmbH aus Graz, neben Arbeiten am Stromkreis im Haushalt können zukünftige Lackierer sich auch an einem virtuellen Auto versuchen. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen in Zukunft auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen. Ziel sei, auch andere Branchen mit Programmen für VR-Brillen auszustatten, sagt Neumayr, ein Programm für das sichere Arbeiten mit einer CNC-Maschine und ein virtuelles Modell des Körpers für angehende Masseure sind bereits in Planung. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Projektfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Steiermark. 200.000 Euro wurden investiert. Eine Brille kostet 350 Euro.
Nach etwas mehr als einer Woche müssen die Schüler die Brillen wieder zurückgeben, schade eigentlich, finden sie. "Zwischendurch dürfen wir auch im Programm installierte Spiele spielen, da versuchen wir uns bei High Score immer zu überbieten", lacht Kolar.