An den 22. September kann sich die beliebte Professorin Sophie Bramreiter vom BG/BRG/Borg Köflach noch gut erinnern. Besser, als es ihr wahrscheinlich lieb ist. An dem Sonntag war die Stallhofenerin mit dem Fahrrad bei ihrer Mutter. Auf dem Nachhauseweg – nur rund 300 Meter von ihrer Adresse entfernt – passierte das Unglück, das ihr Leben verändern sollte. „Ich habe das Auto noch auf mich zufahren gesehen und ich dachte mir, das geht sich nicht aus!“ Sekundenbruchteile später wurde die 58-Jährige vom Fahrzeug gerammt. Laut Polizei war die Autolenkerin vom Hantieren an der Freisprechanlage abgelenkt. „Ich war dann ganz kurz bewusstlos, bin aber sofort wieder zu mir gekommen und hatte sehr große Schmerzen. Ich habe mir selbst den Radhelm abgenommen und eine Dame hat mich gefragt, wie die Nummer der Rettung sei – 144 habe ich da gesagt“, erzählt das Unfallopfer.
Aufgrund der schweren Verletzungen wurde Bramreiter noch am Unfallort vom Notarzt sediert und mit dem Rettungshubschrauber Christophorus 14 ins LKH Graz geflogen, nun liegt sie auf der Station für Remobilisation am LKH in Voitsberg. An allen Gliedmaßen hat die Weststeirerin Frakturen davongetragen, das rechte Sprunggelenk ist gebrochen, der linke Oberschenkel zertrümmert, die Elle am linken Arm gebrochen und die Schulterkapsel am rechten Arm in Mitleidenschaft gezogen. „Ich bin überall zusammengenagelt und -geschraubt. Nur mein zweiter Halswirbel, der ebenfalls gebrochen ist, muss konservativ ausheilen“, kann die Schwerverletzte schon wieder lachen. „Ich bin positiv gestimmt, sonst wäre das alles schwer durchzustehen.“
Lange Nächte
Schwer seien vor allem die Nächte gewesen, in denen Bramreiter kurz nach Mitternacht aufwachte: „Da wartet man nur, bis endlich der Tag beginnt und hat viel Zeit zum Nachdenken.“ Wie relativ Zeit sei, merke sie erst jetzt: „Ich brauche natürlich für alles sehr lange. Aber ich bin froh, dass ich selbstständig essen oder telefonieren kann. Am Montag habe ich in der Früh eine Orange zum Essen bekommen, das war eine Herausforderung. Aber ich habe es irgendwie geschafft, sie abzuschälen. Ich glaube, das war eine Übung der Physiotherapeutin“, lacht Bramreiter.
Ärger oder gar Hass gegenüber der Autofahrerin, die laut Polizei vom Display der Freisprechanlage abgelenkt gewesen sei, hegt Bramreiter keinen. „Ich bekomme immer wieder zu hören, welches Pech das war. Wenn ich fünf Minuten früher oder später gefahren wäre, dann wäre mir das nicht passiert. So denke ich aber nicht: Ich habe trotz der blöden Situation viele Schutzengel gehabt. Die Ärzte haben mir gesagt, ohne Radhelm hätte ich das wahrscheinlich nicht überlebt. Und ich bin froh, dass ich keine inneren Verletzungen erlitten habe. Man muss sein Schicksal voll annehmen, nur dann geht es weiter.“
Laut VCÖ wird jeder dritte Verkehrsunfall in Österreich durch Ablenkung oder Unachtsamkeit verursacht. Damit ist es die häufigste Unfallursache, es passieren neunmal so viele Ablenkungsunfälle wie Alkhoholunfälle. „Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung lässt das Unfallrisiko für Lenkende etwa um das Vier- bis Fünffache, das Schreiben von Textnachrichten sogar um das 23-fache ansteigen“, erklärt Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).
Und das bringt die Frau auch dazu, einen eindringenden Appell für das Tragen des Helms zu starten: „Ich habe immer einen Radhelm getragen, aber erst jetzt ist mir bewusst, was das bewirkt hat. Wichtig ist, dass der Helm gut sitzt und nicht locker wie eine Kappe getragen wird. Wegen des Verschleißes sollte er auch alle zehn Jahre gewechselt werden.“
Zwei Operationen musste die Stallhofenerin bereits über sich ergehen lassen, im November folgt die nächste. „Aktuell kann ich nur aufsitzen, das war mir wichtig und darum habe ich gekämpft und hat an mir gearbeitet. Das ist wichtig für die Rückenmuskulatur und senkt das Risiko für eine Lungenentzündung“, berichtet das Opfer. Wie es weitergeht, weiß Bramreiter noch nicht. „Schon jetzt sind alle erstaunt, dass es bei mir so schnell geht. Aber alle im Krankenhaus kümmern sich so gut um mich, auch meine Familie unterstützt mich total.“
Dank an Ersthelfer
Dass der Unfall ihr weiteres Leben auf den Kopf stellt, dem ist sich die 58-Jährige bewusst. „Ob ich je wieder ganz fit werde, kann niemand sagen. Für mein Lieblingshobby, das Tanzen, sehe ich leider schwarz, auch Skifahren kann ich künftig wohl vergessen. Man merkt, wie relativ alles ist. Aber es gibt mir viel Kraft, dass so viele Leute an mich denken“, bedankt sich Bramreiter, die sich in ihrem Glauben bestärkt fühlt. „Ich höre viele meditative und religiöse Lieder, auch Martin Rapp von der Pfarre Voitsberg und Bischof Wilhelm Krautwaschl haben mich besucht.“ Bedanken möchte sich die Patientin auch bei ihrem Ersthelfer. „Leider weiß ich nicht, wer das war. Er hat mir die Kopfwunde mit einer Kompresse zugehalten und meine Beinverletzungen versorgt.“