Die Uni Graz hat unter Ihrer Leitung eine Studie gestartet, in der bei Mitarbeitern unterschiedlichster Betriebe von Oktober 2020 bis September 2022 regelmäßig die Work-Life-Balance abgefragt wird. Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Studie?
BETTINA KUBICEK:Aus der Forschung wissen wir, dass die Grenzziehung zwischen Arbeit und Privatleben für die Erholung wichtig ist. Flexible Arbeitsmodelle oder Informations- und Kommunikationstechnologien wie Smartphones lassen die Grenzen zwischen den Lebensbereichen verschwimmen. Wie kann man diese Grenzziehung unterstützen? Welche Erwartungen haben die Führungspersonen? Welche Maßnahmen und Richtlinien können Unternehmen setzen, um eine Grenzziehung zu ermöglichen? Dies sind Fragen, welche mithilfe der Studie beantwortet werden sollen. Das Ziel ist, am Ende herauszufinden, welche Faktoren die Grenzziehung zwischen Arbeit und Privatleben beeinflussen.
Können Sie kurz erläutern, wie eine Tagebuchstudie abläuft und welche Erkenntnisse man daraus gewinnen kann?
Über einen längeren Zeitraum wurden die ProbandInnen in diesem Projekt einmal oder zwei Mal täglich dazu aufgefordert, standardisierte Fragen über ihre Arbeitsbedingungen, die Grenzziehung zwischen Arbeit und Privatleben und das Wohlbefinden zu beantworten.
Welche Erkenntnisse können aus der Studie gezogen werden?
Erfreulicherweise geben sehr wenige Personen an, dass sie außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar sein sollen. Laut den Befragten gehen die Erwartungen stärker von den Führungskräften (12 Prozent) als von den KollegInnen (5 Prozent) aus.
Am Ende Ihrer Studie soll eine Broschüre, in denen Arbeitgeber Richtlinien für die Nutzung von IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie, also Laptop, Smartphone) bekommen, herausgegeben werden. Wie sehen Sie das?
IKT bietet viele Vorteile, denn sie ermöglicht beispielsweise zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten. Die Broschüre soll Beschäftigte dabei unterstützen, die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen.
Wie stehen Sie persönlich zur Vier-Tage-Woche?
Wegen des ausgedehnten Wochenendes ist es ein attraktives Modell, jedoch nicht überall möglich umzusetzen. Die Vier-Tage-Woche mit 40 Stunden muss an das Arbeitsverhältnis angepasst werden. Aus psychologischer Perspektive müssten bei einem Zehn-Stunden-Tag ausreichend Pausen und Erholungszeiten eingeplant werden.
Wie stehen Sie zum Begriff „Work-Life-Balance“?
Der Begriff ist problematisch, denn er suggeriert, dass Arbeit und Leben zwei unterschiedliche Dinge seien: Wenn die Arbeit endet, beginnt unser Leben. Der Name „Balance der Lebensbereiche“ wäre besser.