"Das ist Pflege für die Seele und Balsam für die Atemwege", sagt Judit Klaindl vom gleichnamigen Bienenhof in Unterrettenbach (Gemeinde Sinabelkirchen) und drückt auf den Knopf eines gelben Gerätes, das am oberen Ende eines Bienenstocks montiert ist. So laut es vor der Bienenhütte summt und brummt, so still ist es im Inneren der Hütte. Nur ein Atemgeräusch ist zu hören. Es kommt von einem Mann, der neben Judit Klaindl in einem beigen Massagesessel Platz genommen hat. Der Mann hält sich eine blaue Inhalationsmaske an das Gesicht.
Die Maske ist mit dem Bienenstock durch einen langen Schlauch verbunden und mündet in das gelbe Gerät. "Das ist unser Beecura", sagt Klaindl und zeigt auf das Gerät am Bienenstock. "Und das ist Franz" – sie deutet auf den Herren im Massagesessel. Franz Braun blickt kurz auf und nickt. Dann widmet er sich wieder seiner Inhalation. Gleichmäßig atmet er ein und aus. Was für Außenstehende ungewöhnlich anmutet, ist für den 69-Jährigen aus Pöngraben bei Ilz bereits Usus. Seit drei Jahren kommt er regelmäßig an den Hof, um Bienenluft zu schnuppern, oder, wie es Judit Klaindl es nennt, "Eine Wellnesskur mit Bienenluft" zu machen.
"Ich habe COPD", sagt Franz Braun. "Als ich von der Bienenluft-Kur gehört habe, habe ich zu mir gesagt, Franz, das probierst du einmal aus. Und ich bin dabeigeblieben." Für einen kurzen Moment hat er die Maske abgenommen. "Es tut mir einfach gut, der Hustenreiz wird vermindert und die Atemwege fühlen sich freier an", fügt er hinzu und führt die Maske wieder an den Mund.
Vom Geheimnis zum Geheimtipp
Nicht nur Menschen mit Atemwegserkrankungen kommen auf den Hof, auch Pollenallergiker, Menschen mit Immunschwäche oder jene, die an Migräne leiden. "Die Rückmeldungen sind durch die Bank positiv", sagt Karl Klaindl. Seit 2017 bieten er und seine Frau am Bienenhof nicht nur Honig, Bienenwachstücher und Co. an, sondern eben auch Wellness mit Bienenluft. "In einem Magazin haben wir darüber gelesen, und da sind wir neugierig geworden", erzählt der Imker. Nach einem Vortrag in Klosterneuburg war klar, das wolle man einmal ausprobieren. Eigentlich nur für die Familie selbst. Doch die Wellnesskur am Bienenstock hat sich rasch herumgesprochen und avancierte vom Geheimnis zum Geheimtipp. "Die Anfragen sind so gestiegen, dass wir bald ein Gewerbe angemeldet haben", sagt Klaindl. Mittlerweile kommen rund 40 Menschen pro Saison an den Bienenhof, um sich eine Portion Bienenluft abzuholen. Und wie riecht die eigentlich? "Es ist ein Gemisch aus Honig, Wachs, Propolis und Blütenpollen", beschreibt es Franz Braun.
Mit der Honigernte im Juli endet auch die Wellness-Saison. Dann kehrt am Bienenstock wieder Ruhe ein. Doch nicht wegen der ausbleibenden Kunden, sondern weil sich auch das Bienenjahr langsam dem Ende neigt. Gestört werden die Bienen durch die Inhalation nämlich nicht. "Die bekommen das gar nicht mit", lacht Judit Klaindl. Das Inhalationsgerät saugt die Luft aus dem Bienenstock sanft an und leitet sie in einem beheizten Schlauch zur Inhalationsmaske, ohne die Bienen zu stören. Ein Gitter unter dem Deckel verhindert, dass die Insekten in den Schlauch gelangen.
30 Minuten dauert eine Sitzung. Buchbar sind diese als 12er-Block. Kostenpunkt: 180 Euro. Dazu kommen noch die Inhalationsmaske und der dazugehörige Inhalationsschlauch. Davon hat jeder Anwender einen eigenen. "Der Schlauch ist mit einer Heizspirale ausgestattet. Dadurch verdampft das Kondenswasser sofort und kann im Schlauch nicht zu schimmeln beginnen", erklärt Klaindl. Durch ein speziell entwickeltes Ventil wird gewährleistet, dass die ausgeatmete Luft nicht mehr in den Bienenstock gelangt.
Und wie geht es dem Franz Braun nach seiner Wellnesskur am Bienenstock? "Sehr gut natürlich, sonst würde ich es ja nicht schon so lange machen", lacht der Pensionist. Morgen ist er wieder hier. Für eine Wellnesskur am Bienenstock.