„Ich habe monatelang nach so einem Angebot gesucht“, erzählt Elisa Winter (Name von der Redaktion geändert). In Weiz wurde die 22-jährige Studentin nun fündig. Am 7. Oktober startete die neue Trauergruppe der „Go-On Suizidprävention“. Ins Leben gerufen von Simone Hutter, Klinische- und Gesundheitspsychologin und zertifizierte Notfallpsychologin. Sie leitet die Gruppe, die sich jeden zweiten Montag von 13 bis 14.30 Uhr trifft.
Warum ausgerechnet diese Zeit? „Falls die Gespräche jemanden sehr aufgewühlt haben und noch dringender Redebedarf besteht, ist die psychosoziale Beratungsstelle bis 16 Uhr da“, erklärt Hutter. Das Projekt richtet sich nicht nur an Personen, die jemanden durch Suizid verloren haben. Jeder Trauernde ist willkommen. Egal, wie lange der Verlust her ist und wen man verloren hat.
So liegt ein Todesfall fünf Monate zurück, ein anderer drei Jahre. Die Teilnehmerinnen sind bisher ausschließlich Frauen, diesen fällt es erfahrungsgemäß leichter zu reden als Männern, weiß die Psychologin.
Ihr ist wichtig, dass die Gruppe vermittelt: „Ich bin nicht allein. Was ich fühle, ist normal.“ Aber auch Motivation zu schöpfen, von Trauernden, die vielleicht schon weiter sind in ihrer Trauerarbeit. „Sie sollen sehen, ein normales, glückliches Leben ist auch nach einem Verlust wieder möglich“, sagt Hutter. Auch, wenn es ein steiniger Weg ist.
„Der Verlust ist die Realität und die Zukunft“, so die Psychologin. Die geliebte Person wird immer fehlen, aber man darf auch in der Trauer lachen und glücklich sein. „Die Trauer sollte nicht den ganzen Tag einnehmen“, weiß Hutter.
So soll man sich bewusst Zeit zum Trauern nehmen, beispielsweise Zeit am Friedhof verbringen oder Tagebuch schreiben. „Man kann sich auch zu Hause eine Trauerecke einrichten, wo man eine Kerze oder Fotos aufstellt.“
Jeder trauert anders und alle Gefühle sind in Ordnung. „Trauer ist Wut, Schuld, Scham, Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Sehnsucht, Einsamkeit, Angst und auch Eifersucht“, sagt Elisa Winter. Sie verlor ihren Vater im April 2023. Lange Zeit konnte sie seinen Tod nicht realisieren. „Ich hab sieben Monate so getan, als wäre nichts, als wäre er auf Reisen oder so“, erzählt die 22-Jährige. Jetzt schreibt sie viele Briefe oder Lieder, um ihren Verlust zu verarbeiten.
Nach dem Tod ihres Vaters zog sich Winter von ihren Freunden zurück. „Man fühlt sich oft unverstanden. Die Leute glauben, sie müssen etwas sagen, dass es besser macht.“ Dabei ist Zuhören wertvoller.
Das bestätigt auch Hutter. „Man kann fragen: Was brauchst du? Kann ich was für dich tun? Wie geht's dir?“ Gut gemeinte Ratschläge oder Aufmunterungen sollten vermieden werden. Wie etwa: „Geh einfach mit feiern“ oder „Du lernst sicher bald wieder jemanden kennen.“
Ein Ort zum Trauern
Kurz nach einem Todesfall ist die Betroffenheit im Umfeld meist groß, hier wird noch mehr Hilfe angeboten. Doch nach einiger Zeit kehrt der Alltag ein. Die Trauer verschwindet aber nicht. „Trauer ist etwas so Unsichtbares“, sagt Winter. „Wenn sich jemand den Fuß bricht und mit Krücken geht, bietet jeder gleich seine Hilfe an.“
Trauer verläuft außerdem wellenförmig. „Manchmal vergieße ich wochenlang keine Träne. Zurzeit empfinde ich sehr starke Sehnsucht. Er fehlt in den schönen Momenten und in den schlechten. Es können mir tausend Leute am Tag sagen, dass sie stolz auf mich sind, aber am Ende des Tages fehlt mir seine Stimme.“
Zur Trauergruppe geht sie, um zu verhindern, dass sich die Trauer in ihr aufstaut und irgendwann unkontrolliert ausbricht, erzählt die 22-Jährige. „Es ist ein Ort, an dem ich meine Trauer teilen kann und verstanden werde.“