Geht es jetzt ans Eingemachte? Mit dem Treffen von ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer mit FPÖ-Chef Herbert Kickl begann am Dienstag der von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Auftrag gegebene Gesprächsreigen. Die Parteispitzen sollen ausloten, wer sich mit wem eine Koalition vorstellen könnte. Kickl appellierte an „vernünftige Kräfte in der ÖVP“, Nehammer beizustehen und mit der FPÖ zu koalieren. Nehammer hingegen will kein „Steigbügelhalter“ für Kickl sein. Am Mittwoch trafen sich dann Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler, wovon inhaltlich vorerst nichts nach draußen drang.
Doch was wünschen sich regionale Politikerinnen und Politiker, Funktionäre an der Basis, Abgeordnete? „Die Politik ist kein Wunschkonzert, man muss die Wahlentscheidung zur Kenntnis nehmen. Und der Erste soll Gespräche mit dem Zweiten und dann vielleicht auch mit dem Dritten aufnehmen und den Kanzler stellen“, erklärt Patrick Derler, FPÖ-Chef im Bezirk Weiz. Der Landtagsabgeordnete betont: „Wir leben Gott sei Dank in einer Demokratie.“ Er ist dafür, dass sich jene Spitzenkandidaten, die ein „extremes Minus“ eingefahren haben, zurückziehen. Und eine Koalition der ÖVP mit einer FPÖ ohne Spitzenkandidat Herbert Kickl? „Das geht einfach nicht, er führt die Partei an.“
Ins selbe Horn stößt der südoststeirische FPÖ-Bezirksparteiobmann Michael Wagner. Für eine Regierungsbildung mit der FPÖ gebe es einen klaren Auftrag, den man nicht ignorieren könne. Als Koalitionspartner sieht er – wenn auch „mit Magenschmerzen“ – die ÖVP. Eine FPÖ-ÖVP-Koalition ohne Herbert Kickl schließt auch er aus: „Es kann nicht sein, dass andere bestimmen, was wir zu tun haben.“ Auch Stefan Hermann, FPÖ-Chef in Graz-Umgebung, findet: „Die Freiheitlichen hätten mit der Regierungsbildung beauftragt werden müssen.“ Stattdessen glaubt er an Hinterzimmergespräche für eine „Zuckerl-Koalition“ aus ÖVP, SPÖ und Neos, womit aber „der Wählerwille übergangen“ werde.
Eine klare Sache ist es für FP-Landtagsabgeordneten Marco Triller: „Es muss eine Regierung mit uns als stärkste Kraft und mit Bundeskanzler Herbert Kickl geben“, betont er. Würde man Kickl opfern, wäre das „Betrug an unseren Wählern.“ Die ÖVP solle sich als größte Verliererin bei der Wahl überlegen, ihren Spitzenkandidaten Karl Nehammer auszutauschen.
„Kickls Rundumschläge sind nicht staatsmännisch“
Für den Fürstenfelder Bürgermeister Franz Jost (ÖVP) ist es herausfordernd, nach diesem Wahlergebnis eine Regierung zustande zu bringen. Und jetzt? „Man sollte der FPÖ den Regierungsauftrag geben. Der Herr Kickl soll beweisen, was er zustande bringt.“
Auf Distanz zu Kickl ist auch Joachim Schnabel, ÖVP-Chef im Bezirk Leibnitz und Nationalratsabgeordneter: „Ich kenne ihn persönlich, für mich ist es unvorstellbar, dass die ÖVP Herbert Kickl zum Kanzler macht.“ Ebenso unvorstellbar sei, dass Karl Nehammer weicht, um eine Koalition mit der FPÖ zu ermöglichen. Ausschließen will Schnabel eine solche nicht: „Das hat ja schon gut funktioniert.“ Eine Koalition mit der SPÖ hänge vor allem von wirtschaftlichen Themen ab. „Vieles aus dem Programm von Andreas Babler ist für mich nur sehr schwer mit unseren Vorstellungen vereinbar.“
Die beiden ÖVP-Bürgermeisterinnen Bernadette Schönbacher (Miesenbach) und Anita Feiner (Strallegg) halten nichts von einer Zusammenarbeit der ÖVP mit einer Kickl-FPÖ. „Kickls Rundumschläge sind nicht tragbar und staatsmännisch“, so Schönbacher, die sich sachliche Verhandlungen wünscht. Und Feiner hofft auf stabile Verhältnisse und „gemäßigte, ehrenwerte, verbindende Persönlichkeiten“.
Der Grazer ÖVP-Chef Kurt Hohensinner, der selbst schon 2017 und 2019 bei Regierungsverhandlungen dabei war, sagt nur: „Ich werde Karl Nehmanner sicher nicht von Graz aus ausrichten, was er tun soll.“
Ruf nach Konzentrationsregierung
Geht es nach Wolfgang Schlick, Bürgermeister von Stadl-Predlitz (SPÖ), würde es eine Konzentrationsregierung geben – eine Regierung mit allen Parteien, die ins Parlament gewählt worden sind, unterstützt von Experten. „Klar sollen diejenigen, die mehr Stimmen haben, auch mehr Gewicht haben.“ Ihm ist wichtig, dass die Politik „weg von Neid, Gier und Klientelpolitik hin zu sachlicher Arbeit“ geht. Er nimmt die eigene Partei nicht aus, die es nicht mehr schaffe, ihre Werte zu vermitteln. Und die Alternative zu einer Konzentrationsregierung? „Die, die gewonnen haben, sollen sich zusammentun.“
Leobens SP-Stadtchef Kurt Wallner hält es für richtig, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ, ÖVP und SPÖ dazu aufgefordert habe, miteinander zu reden. „Es wird aber schwierig, nachdem die meisten schon genau gesagt haben, was sie nicht haben wollen.“ Einem Kickl-Rückzug räumt er „eher geringe Chancen“ ein, unwahrscheinlich ist für ihn auch ein Vizekanzler Nehammer: „Das ist nicht in der DNA der ÖVP.“ Die FPÖ sei selbst schuld, dass niemand mit ihr koalieren wolle: „Das liegt am jahrelangen Kurs der extremen Polarisierung.“
Für den mächtigen Leibnitzer Gewerkschafter Josef Muchitsch ist eine Koalition von SPÖ und ÖVP möglich – jedoch nicht um jeden Preis. „Die inhaltliche Ausrichtung für die nächsten fünf Jahre und deren Finanzierung sind zu sondieren. Erst danach machen Verhandlungen Sinn.“ Das sieht auch die Grazer SPÖ-Chefin und Noch-Landesrätin Doris Kampus so. „Das Regieren ist in unserer DNA“, aber eben nur, wenn es inhaltlich Sinn macht. Es sind vor allem „drei sozialdemokratische Eckpfeiler“, um die es aus ihrer Sicht geht: Eine Stärkung des Gesundheitswesen, damit die langen Wartezeiten für Patienten ein Ende haben; eine Bildungsoffensive, damit die Pädagoginnen und Lehrer gestärkt werden; und keine Mittelkürzung für das AMS „in Zeiten wie diesen“. Und eine Vermögenssteuer? „Halte ich derzeit nicht für prioritär“, so Kampus.