Vor fast vier Jahren - im Dezember 2020 - ist Theresia Salleggers Mann Ernest verstorben. Verloren hat die 69-Jährige ihn jedoch schon zuvor - schrittweise. „Das erste Mal in ein tiefes Loch gefallen bin ich, als er mich gefragt hat, wo die Resi ist. Dabei bin ich selbst doch die Resi“, erzählt die Pensionistin, die in St. Kathrein am Offenegg wohnt. 2016 wurde ihr Ernest mit vaskulärer Demenz diagnostiziert. Das Anfangsstadium hat schon Jahre früher begonnen, meint Sallegger rückblickend. „Man will es aber verdrängen.“
So geht es auch vielen anderen Betroffenen. Ingrid Enthaler ist als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (DGKP) im mobilen Dienst für die Volkshilfe im Stadtgebiet Weiz und Krottendorf im Einsatz. Betreut werden rund 120 Kunden. „Ein Drittel davon ist dement, wenn auch in unterschiedlichen Stadien“, erzählt sie. Der schwierigste Punkt im Anfangsstadium sei, dass Angehörige bemerken, wenn Alltagshandlungen nicht funktionieren. „Betroffene merken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, aber sind gut darin, es zu überspielen“, so Enthaler.
Rund 21.000 Demenzkranke gibt es derzeit in der Steiermark, doch die Zahlen steigen, wie Enthaler bemerkt hat. Einerseits aufgrund der höheren Lebenserwartung. „Wir betreuen viele Menschen über 90, da kommt die Demenz erst mit 85, wo früher jemand gar nicht mehr am Leben war.“ Andererseits sind auch immer jüngere Menschen betroffen. Warum dem so ist, ist nicht bekannt. Betroffen sind alle Bildungsschichten. „Es erkranken sowohl der Dr. Dr. als auch die Hausfrau.“
Diagnose mit 66 Jahren
Ernest Sallegger erhielt seine Diagnose mit 66 Jahren. „Wir haben beide viel geweint“, erzählt seine Frau. „Ich hab dann sehr viel über die Krankheit gelesen und je mehr ich gelesen hab, desto mehr hab ich verstanden, dass das die Krankheit ist und nicht er.“ Angehörige brauchen viel Geduld. „Ich hab zu ihm gesagt, er soll das Besteck vom Geschirrspüler in die Bestecklade einsortieren. Er hat eine halbe Stunde für zehn Löffel und Gabeln gebraucht und danach hab ich alles gleichräumen müssen. Ich hab ihn trotzdem gelobt.“
Auch beim Anziehen hat Sallegger oft ein Auge zugedrückt, etwa, wenn ihr Mann die Unterhose über die Hose angezogen hat. „Wenn wir nur zu Hause waren, war mir das egal“, sagt sie. Mit Demenzkranken sollte man nicht diskutieren. „Wenn er sagt, der Himmel ist grün, dann ist er heute eben grün.“
Dem stimmt Stefanie Wachmann zu. Sie ist Stationsleiterin im Bezirkspflegeheim Kamillus in Passail. „Demenzkranke leben in ihrer eigenen Welt. Viele glauben, dass sie beispielsweise im Gasthaus sind und nicht im Pflegeheim.“ Widerspricht man, könnte es zu Aggressionen kommen.
Umzug ins Pflegeheim
Lange Zeit pflegte Sallegger ihren Mann zu Hause, erst die letzten vier Monate vor seinem Tod kam er ins Weizer Bezirkspflegeheim, weil seine Schübe immer schlimmer wurden und die Hausärztin ihr zu dem Schritt riet. „Im letzten halben Jahr hat er mich öfter nicht erkannt, als dass er mich gekannt hat.“
Austausch unter Angehörigen
Bereits zuvor hat Sallegger Hilfe in Anspruch genommen. Zweimal die Woche war ihr Mann in der Tagesbetreuung des Bezirkspflegeheims Weiz, einmal in der Woche entlastete sie ein Mobiler Dienst für vier Stunden. Außerdem setzte sie sich dafür ein, dass Gesprächsrunden für Angehörige regelmäßig in Weiz stattfinden. Bis heute moderiert sie die Treffen von Salz - der steirischen Alzheimerhilfe.
Der Austausch mit Gleichgesinnten helfe sehr. „Salz ist mein Liebkind. Ich bin so froh, dass wir es in Weiz installieren konnten. Es ist eine hilfreiche Stelle, um sich Tipps zu holen und sich auszusprechen“, so Sallegger. Wie es ihr heute geht? „Als mein Mann verstorben ist, war ich sehr dankbar, dass wir 49 Jahre verheiratet waren. 45 Jahre hab ich das Sagen gehabt und vier Jahre er.“