Fantasiehalle, Zauberreich, Seeparadies – klingende Namen, tief unter dem Gemeindegebiet von Naas. Wie diese Orte erreichbar sind? Durch eine Eisentüre, schulterschmale Gänge, kanaldeckelkleine Öffnungen, über senkrechte Leitern und Stufen. Über rutschige Steige, über Umwege – und durch Wäldern von Stalaktiten und Stalagmiten, Jahrmillionen alten Tropfsteinen, die von den zerklüfteten Decken hängen oder ihnen entgegenwachsen, wenige Millimeter pro Jahrhundert.
Als sich Regina und Hermann Hofer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Zentimeter für Zentimeter in diese Wunderwelt abseilten, voran gruben (und teils sprengten), war es dort – finster. Stockdunkel, feucht und gefährlich.
Aber wer waren diese Pioniere der Höhlenforschung, die die Grasslhöhle und dann auch das nahe, ungleich größere Katerloch, erforschten und zugänglich machten? „Sie haben ab 1950 ihr ganzes Leben den Höhlen verschrieben“, schildert Fritz Geissler. Der Mentaltrainer führt seit Jahren durch das Katerloch, erzählt faszinierende Geschichten aus dem Reich der ewigen Steine und von seinem „Lehrmeister“ Hermann Hofer.
Regina Stahl, eine Krankenschwester aus Hessen, und Hermann Hofer, Zuckerbäcker und Bergarbeiter aus Mautern, lernen sich vor dem Zweiten Weltkrieg kennen. In Tripolis trifft Regina Menschen, die in Höhlen leben. Sie ist beeindruckt.
Hermanns Bruder Konrad erzählt dem jungen Paar von der Grasslhöhle bei Weiz. Diese war um 1750 erstmals entdeckt worden. 1950 verschlägt es das Ehepaar Hofer ins Dürntal: Sie erneuern Steige, leiten Strom ein, reinigen die Tropfsteine. Sie pachten die Grasslhöhle und das Katerloch. Ab 1952 führen sie durch die Höhle und finanzieren damit Forschungen im Katerloch.
Dessen Eingang ist gut zehn Meter hoch und 20 Meter breit. 1899 klettert Adolf Mayer erstmals in den Großen Schacht, 1908 forscht dort Hermann Bock. 1932 vermessen Höhlenforscher einen Teil. Der Krieg stoppt dies. Die Leidenschaft des Ehepaars Hofer stoppt er nicht. Diese seilen sich 1950 erstmals ab.
Über enge Röhren und Durchlässe entdecken sie weitere Abschnitte. „Salomonische Prunkgalerie“, „Seelöwengrube“, „Büßergalerie“, „Halle der Einsamkeit“ und die „Fantasiehalle“: 4000 Tropfsteine, Millionen von Jahren alt - eine Sensation.
Weitere folgen: Sie robben in die „Auslughalle“, graben einen elf Meter langen Stollen, räumen 60 Tonnen an Gestein weg und gelangen in das „Zauberreich“ und das „Seeparadies“: Eine berückend schöne Wasserlandschaft, 135 Meter und 400 Stufen unter dem Eingang.
„Wochenlang in der Höhle“
Regina und Hermann gelten bei vielen als Spinner. Sie bleiben oft wochenlang ununterbrochen in der Tropfsteinhöhle (zwei rostige Eisenbetten zeugen davon). Oben schlafen sie in einem Zelt, später in einem Holzhaus ohne Strom und Wasser. Die Lärchsattelstraße zu dem abgelegenen Areal auf 900 Metern Seehöhe wird erst 1954 errichtet.
Am 27. März 1954 wird die Tropfsteinhöhle zum Naturdenkmal ernannt. 1958 wird die Schauhöhle eröffnet. Bis 1984 führt das bereits betagte Ehepaar Hofer durch die Höhle. Regina Hofer stirbt 1995 mit 83 Jahren; ein tragischer Verlust für Hermann. Er ist fit bis ins hohe Alter, lehrt sieben Jahre lang Fritz Geissler an. 2003 wird es für den 95-jährigen Hofer für immer finster.
Seit 20 Jahren führt Fritz Geissler durch die Wunderwelt. Er staunt noch immer über die Höhle, seinen „Lehrmeister“ und dessen Frau: „Sie waren wahre Pioniere.“