Mit Schaufeln und Kellen tragen Archäologen und Grabungshelfer vorsichtig und Schicht für Schicht die Erde in den rund einen halben Meter tiefen Grabungsschnitten am Wildoner Berg ab. Seit Anfang August hat das Team, das zum Teil über die Steirische Arbeitsförderungsgesellschaft (StAF) vermittelt wurde, steinerne Mauerreste der verschollenen Burg Hengst freigelegt, die jahrhundertelang unter dem Waldboden lag.

Das Grabungsgelände ist von zahlreichen Einschnitten durchzogen, die immer mehr die Geschichte der einstigen Festung preisgeben. Im Schatten der Bäume zeichnet Christoph Gutjahr mit der Hand den Verlauf der bereits entdeckten Mauern nach. Der Archäologe ist wissenschaftlicher Leiter der Ausgrabungen des Kulturparks Hengist und konnte die in Vergessenheit geratene Festung dank eines alten Kupferstiches ausfindig machen.

Ein alter Kupferstich ermöglichte die Lokalisierung der Burg Hengst rechts über der Pfarrkirche Wildon
Ein alter Kupferstich ermöglichte die Lokalisierung der Burg Hengst rechts über der Pfarrkirche Wildon © Public Domain

Der aus dem Jahr 1700 stammende „Vischer-Stich“ zeigt am Wildoner Berg vier Burgen. Doch mit Wildon, Neuwildon und Ful sind davon nur drei als Ruinen erhalten. Über die Festung Hengst war lange nichts bekannt. Die kürzlich freigelegten Mauerfragmente zeigen beeindruckend, welche Ausmaße die Burg einst besessen haben muss.

Funde aus mehreren Epochen

Im Laufe der Zeit wurde sie abgetragen, um das Baumaterial an anderen Orten neu zu verwenden. „Die Burg hat nur zwischen 1250 und 1400 existiert und wurde dann als Steinbruch genutzt“, erklärt Gutjahr am Rande der Grabung stehend. Das 16-köpfige Team hat dennoch zahlreiche Funde gemacht, von denen die bedeutendsten in Plastiktüten verpackt auf einem Holztisch neben dem Grabungsschnitt ausgebreitet liegen.

Bei der Ruine Hengst wurden verschiedenste Funde gemacht
Bei der Ruine Hengst wurden verschiedenste Funde gemacht © KLZ / Paul Jaunegg

Keramikfragmente zerbrochener Gefäße ermöglichen dem Archäologen bereits am Fundort eine grobe Datierung. Anhand feiner Linien im Material, die erst bei direktem Sonnenlicht sichtbar sind, stellt er fest, dass einige Stücke in prähistorischen Zeiten von Hand und andere im Mittelalter auf einer Töpferscheibe geformt wurden.

Weitere Funde, wie Tieren nachempfundene Figurinen, kunstvoll bearbeitete Knochen, Pfeil- und Armbrustspitzen sowie Reitersporen aus Metall müssen erst eingehend untersucht werden. Aber: „Nicht alle stammen aus dem Mittelalter“, stellt Gutjahr klar. Das erkläre sich durch die bereits vor 6500 Jahren einsetzende Besiedelung des Schlossbergs.

Neue Grabung am Gipfelplateau

Funde aus dieser Zeit wurden auch bei vergangenen Grabungen am Gipfelplateau zwischen den Ruinen Neuwildon und Wildon gemacht. Derzeit wird dort wieder vor der imposanten Kulisse des Wehrturmes der Burg Wildon gegraben. Iris Koch, Archäologin des Instituts für Antike an der Karl-Franzens-Universität Graz, erforscht hier den von Mauern gesäumten Burghof.

Im Grabungsschnitt sorgt die Mittagssonne für gnadenlose Hitze. Der Begeisterung der Wissenschaftlerin tut das aber keinen Abbruch. „Wir haben kistenweise Keramiken gefunden“, erzählt sie über die bisherigen Funde. Ein großer Hügel aus Steinen und Erde muss erst noch nach Relikten, die beim Aushub übersehen wurden, durchsiebt werden.

Iris Koch gräbt derzeit bei der Burg Wildon
Iris Koch gräbt derzeit bei der Burg Wildon © KLZ / Paul Jaunegg

Besonders interessant ist die Entdeckung eines Ofens aus dem Spätmittelalter. Anhand der Verfärbung der umliegenden Erde und der angrenzenden Aschegruben vermutet Koch, dass er einst zum Backen von Brot verwendet wurde. Endgültige Klarheit wird es aber erst geben, wenn die auf drei Jahre angesetzte Grabungskampagne abgeschlossen ist.