Er habe in ihrem Bauch wie wild gestrampelt. Im Nachhinein ist sie sich sicher, das war sein Todeskampf.

Linda Holler war zu dem Zeitpunkt zirka im neunten Monat schwanger mit ihrem zweiten Sohn. Im Krankenhaus konnte man schließlich keinen Herzschlag mehr feststellen.

24 Stunden Abschied

Mittels Kaiserschnitt kam der kleine Oskar auf die Welt, ohne je die Augen zu öffnen. „Man bekommt 24 Stunden mit seinem Kind. Und mein Mann und ich haben versucht, ihm in 24 Stunden alles zu geben, was man normal ein ganzes Leben lang gibt“, sagt die junge Mutter, während sie mit der Hand die Tränen unter der Brille wegwischt.

Sie haben ihn gedrückt, geküsst, für ihn gesungen, ihm Geschichten erzählt. Und: Linda Holler hat ihren Sohn mit den Füßen auf den Boden gestellt. Symbolisch, damit er Spuren hinterlässt, erklärt die Südsteirerin – zumindest kleine. Sie saß auch mit ihm am Fenster, während die Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen. „Man ist in so einer Situation im Überlebensmodus, man funktioniert einfach“, sagt sie.

Oskar wurde drei Monate später verbrannt, gemeinsam mit Zeichnungen, Fotos und einem Löwen als Kuscheltier. Das ist nun drei Jahre her. Die Erinnerung ist geblieben. Für seinen großen Bruder Max war Oskar eine Zeit lang sein Fantasiefreund. Mit Xaver hat die Familie in der Zwischenzeit wieder Zuwachs bekommen.

Linda Holler gemeinsam mit ihrem Sohn Xaver
Linda Holler gemeinsam mit ihrem Sohn Xaver © KLZ / Barbara Kahr

Oskars Urne steht bei der Familie zu Hause. „Ich wollte, dass Osi immer bei uns, einfach mittendrin ist“, erklärt Holler. Ein Blick im Wohnraum zeigt, das ist er auch: So ist auf einer Leinwand neben den Handabdrücken der Familie auch ein Stern zu finden. Bilder des kleinen Oskars und sein Fußabdruck sind liebevoll mit einer Kerze im Wohnzimmer platziert. Der Weg zurück in den Alltag war hart. Eine Zeit lang hielt die Südsteirerin es etwa nicht aus, wenn ein Baby in der Nähe weinte. „Wenn ein Baby schreit, ist es für eine Mama immer stressig. Aber ich hatte nie die Chance, Oskar jemals schreien zu hören“, erklärt sie.

Auf Instagram erzählt

Die Südsteirerin machte ihre Geschichte auf Instagram öffentlich. Einerseits um die Trauer zu bewältigen, andererseits um auf das Thema aufmerksam zu machen. So postete sie etwa ein Bild, auf dem die Hand des kleinen Buben zu sehen war und den Satz: „Auch wenn wir dich nicht mehr in unseren Händen halten dürfen, so behalten wir dich doch auf ewig in unseren Herzen.“ Noch heute veröffentlicht sie Momente mit ihrem Sternenkind. Die Reaktionen waren und sind unterschiedlich – von Mitgefühl bis Aussagen, die Holler verblüffen. „Eine Frau sagte einmal zu mir: ‚Ich soll einfach gleich noch eines bekommen, quasi als Ersatz.‘ Oder: ‚Das passiert vielen.‘ Tut es auch, aber damit ist es nicht abgetan“, betont sie. Es sei immer ein Verlust, egal ob Abgang oder Totgeburt. Ein Teil von einem selbst sterbe, wortwörtlich und im übertragenen Sinn.

Aufgrund ihrer Offenheit mit dem Thema kamen und kommen noch immer Betroffene auf sie zu, erzählen ihre Geschichte oder tauschen sich mit ihr aus. „Einige kämpfen mit dem Schamgefühl, mein Körper war zu schwach, das Kind zu halten. Das ist schlimm“, zeigt Holler auf. Sie würde sich mehr Unterstützung für die Betroffenen und mehr Verständnis von der Gesellschaft wünschen und wird auch weiterhin offen über das Thema sprechen.