Für viele ist sie eine lästige Pflicht, die Fahrt zur Tankstelle und das Warten an der Zapfsäule, bis der Zapfhahn mit einem „Klick“ den endlich vollen Tank signalisiert. Für andere wiederum ist der Besuch bei der örtlichen Tankstation viel mehr als das. Denn vielerorts sind Tankstellen heutzutage mit angeschlossenen Cafés, Shops und Waschanlagen ausgestattet.
Tankstelle nach amerikanischem Vorbild
So auch die Orell-Shell-Tankstelle der Familie Orell im südsteirischen Heimschuh. Und das schon seit über 60 Jahren. Natürlich bot Johann Orell, als er das Familienunternehmen mit der Marke Shell als Partner im August 1961 gründete, hauptsächlich Öl und Treibstoff an. Nach amerikanischem Vorbild war neben den klassischen Zapfsäulen aber schon damals eine kleine Servicestation für Ölwechsel inklusive Reifenhandel an der Tankstelle zu finden.
Drei Autos, viele Mopeds
Den damaligen Umständen geschuldet eigentlich ein riskantes Vorhaben: „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieso er das Unternehmen gegründet hat. Heimschuh war zu dem Zeitpunkt nämlich noch sehr klein, im Ort gab es nur drei Autos“, erklärt Johanns Tochter Astrid Orell. „Also muss er eine Vision gehabt haben.“ Was damals jedoch zur Genüge auf den südsteirischen Straßen unterwegs war, waren Mopeds: „Da gab es extrem viele, die konnte man sich leisten“, führt sie fort.
Dementsprechend wurde die Tankstelle schon bald um einen eigenen Fahrrad- und Mopedhandel erweitert, im Jahr 1971 folgte schließlich auch der Zubau eines eigenen Cafés. Nur ein Jahr zuvor hatte ein Gasthaus im Ort zugesperrt: „So etwas gab es zu der Zeit vielleicht in den Städten, aber sonst hat das niemand so richtig gemacht“, betont Orell. Noch heute kann man seinen Kaffee in der Tankstelle in Heimschuh genießen und – wenn nötig – sein Auto waschen, im hauseigenen Shop einkaufen, Tabakwaren erstehen oder die Post abgeben.
Zurück in Familienhand
Tochter Astrid Orell hat den Familienbetrieb übrigens 2012 übernommen, zuvor wurde die Tankstelle 15 Jahre fremd verpachtet. „Das war dann schon ein toller Schritt, dass das Unternehmen wieder in den Familienverband gekommen ist“, blickt sie zurück. Für sie in den letzten elf Jahren besonders präsent: 2019 wurde die Tankinfrastruktur auf den neuesten Stand gebracht und Tanks, Zapfsäulen und die Betankungsfläche erneuert.
Aber auch die Offenheit kommt Orell in den Sinn, wenn sie an den jahrzehntelangen Betrieb der Tankstelle denkt. Offenheit im Sinne der Öffnungszeiten, aber auch gegenüber den Kundinnen und Kunden. „Wir haben im Grunde schon immer 363 Tage im Jahr offen, nur am Christtag und am 1. Jänner schließen wir“, erklärt sie. Es sei immer jemand da, man habe für jeden ein offenes Ohr.
Die Breite macht‘s aus
Das breite Angebot der Shell-Tankstelle der Familie Orell kommt übrigens nicht von ungefähr. Heutzutage brauche man diese Breite, um als Tankstelle überhaupt wirtschaftlich tragfähig zu sein. Insbesondere wenn Personal involviert ist, wie Orell betont: „Die Erhaltungskosten der Tankstelle sind so hoch und die Marge so klein, dass man alles andere mitmachen muss, damit sich das Hauptgeschäft rechnet.“
Nächste Generation am Steuer
Hinzu käme ein zurückhaltenderes Kundenverhalten durch die Inflation und Corona und eine allgemein schwierige Personalsituation. „Es meldet sich niemand, man verliert die Freude. Aber wir haben einen Lehrling, der lernen will und sehr engagiert ist“, betont Orell. Und auch die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Ende Oktober hat Tochter Antonia Orell die Geschäftsführung des Unternehmens übernommen.