Sonnenaufgang über den südoststeirischen Weinbergen in St. Anna, die Insekten brummen, die letzten Tropfen des Morgentaus verdunsten – eigentlich die Idylle auf Erden. Eigentlich, denn an diesem Morgen durchbricht der Lärm eines Baggers die friedliche Stille. Gebaut wird allerdings kein Haus, vielmehr gräbt sich der lange Arm der Baumaschine in den sandigen Boden direkt neben den Weinreben am Stradenberg und hebt ein tiefes Loch aus. Am Rand der Grube stapeln sich rund 800 dunkle Flaschen – fein säuberlich angeordnet – in zwei großen Metallkörben. Am Weingut Fauster wird Sekt im Boden vergraben. Verantwortlich dafür: Die Winzergemeinschaft „Sekt Anna“, vertreten durch die junge Generation der Betriebe Frühwirth, Fauster, Fischer und Hütter.
Aus der Erde in die Erde
Rund zweieinhalb Meter ist die Grube tief, zumindest eineinhalb Meter Erde sollen die Sektflaschen am Ende bedecken. Ausgedacht haben sich dieses „Begräbnis“ vier Jungwinzer aus der Region, einer davon ist Bernhard Fischer. Er erklärt: „Wir vergraben den Sekt in erster Linie deswegen, um ihn bei konstanter Temperatur reifen zu lassen. Andere versenken ihn dazu im Meer, wir haben uns gedacht, dass ja auch die Trauben für den Sekt aus der Erde wachsen – mit dieser Reifungsmethode schließen wir den Kreis und geben dem Wein das gewisse Etwas. Ich bin überzeugt, dass man in einer Blindverkostung den Unterschied schmecken wird.“
Der genaue Prozess der Sektherstellung ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Während gerade die Schaufel vom Arm des Baggers abmontiert wird, um die schweren Körbe voller Weinflaschen mittels dicker blauer Gurte in die Grube zu heben, erklärt Andreas Fauster: „Zuerst wird ein Grundwein hergestellt, in unserem Fall aus Chardonnay-Trauben. Danach kommt die Tirage – eine Mischung aus Hefe und Zucker – in die Flasche und die Reifung beginnt.“ Der Sekt in den 800 Flaschen, die soeben in die Grube gehoben werden, reifte so bereits seit Mai 2021 in 300-Liter-Barriquefässern, der Grundwein dazu stammt aus dem Jahr 2019.
Zweieinhalb Jahre im Boden
Bernhard Fischer klettert aus der Grube, in der er die Flaschen mit zwei Paletten bedeckt hat, und sieht zu, wie der Bagger hunderte Kilogramm Sand- und Vulkanerde auf die Sektflaschen schiebt. Er erklärt den weiteren Vorgang: „Der Sekt reift nun bei einer konstanten Temperatur von 12-14 Grad Celsius für zumindest zweieinhalb Jahre. Dabei geschieht die zweite Vergärung in der Flasche.“ Liebhabern edler Tropfen kommt dieser Vorgang vermutlich bekannt vor, der berühmte Champagner wird nach exakt derselben Methode hergestellt.
„Die Hefe und ihre Abbauprozesse machen den Sekt elegant und harmonisch. Je länger der Sekt auf der Hefe reift, desto feingliedriger wird die Perlage und desto hochwertiger wird das Produkt“, fügt Fauster an.
Die letzten Schritte
Fast schon vorsichtig gehen die Jungwinzer Bernhard Fischer, Andreas Fauster und Katrin Frühwirth-Ramminger über die frisch zugeschüttete Grube. Eineinhalb Meter unter ihnen ruhen nun die Weinflaschen. Frühwirth-Ramminger meint: „Durch das Drübergehen kann jetzt natürlich nichts mehr passieren, aber grundsätzlich rechnen wir schon mit einigen Flaschen Schwund, es herrscht natürlich auch ein gewisser Druck unter der Erde. Das ist aber kein Problem“
So wagen die Winzer auch schon einen Ausblick darauf, wenn dann die Flaschen wieder aus dem Boden geholt werden. Bernhard Fischer erklärt: „Sekt ist ja ein klares Produkt, die Hefe muss also wieder aus der Flasche raus. Dazu wird diese so gerüttelt, dass sich die Hefe im Hals absetzt.“ Fauster ergänzt: „Man nennt das Degorgieren. Diese Hefereste werden dann eingefroren und aus der Flasche entfernt. Die Flasche wird wieder aufgefüllt und erst dann kommen der Korken, die Agraffe und die Zinnhülse – die das bekannte Erscheinungsbild eines Sekts erst komplettieren – auf die Flasche.“
Die Jungwinzer strahlen mit der aufgegangenen Sonne um die Wette, die Vorfreude auf den „Sekt Anna – große Reserve“ ist ihnen anzusehen. Bernhard Fischer grinst: „In zweieinhalb Jahren könnt ihr wieder vorbeikommen – dann wird ausgegraben.“
Stefan Haller