Wenn Iryna Wurzinger von der Situation in der Ukraine berichtet, beginnt ihre Stimme zu zittern. Seit zehn Jahren ist sie Pflegerin im Senecura-Heim in Feldbach. Normalerweise kümmert sie sich um Menschen, die Unterstützung benötigen. Nun ist es die gebürtige Ukrainerin, die Hilfe braucht. Oder viel mehr die zahlreichen Flüchtlinge und jene, die geblieben sind, um ihr Land zu verteidigen. Wurzingers Familie befindet sich etwa in Lemberg im Westen der Ukraine. Vater und Brüder dürfen das Land nicht verlassen. Ihre Frauen wollen nicht alleine.
"Man kann sich nicht vorstellen, wie das ist, wenn man alles zurücklassen soll", sagt Wurzinger. Jeden Abend telefoniere sie mit ihren Liebsten. "Wenn ich auflege, hoffe ich, dass sie am nächsten Tag noch abheben." Ihre Kolleginnen und Kollegen im Senecura-Heim in Feldbach fühlen und leiden mit ihr.
Berg an Sachspenden binnen weniger Tage
Innerhalb weniger Tage sammelte das Team Sachspenden, vorwiegend Hygieneartikel und medizinische Ausrüstung. "Am Freitag haben wir die Information ausgeschickt, aber das ist erst der Start", sagt Heimleiterin Karin Erkenger. Mit der Unterstützung der St. Josef Apotheke in Fehring konnte man mehrere Erste-Hilfe-Kästen organisieren. Auch viele Stauschläuche sind unter dem Berg an Spenden. "Zum Abklemmen bei Schusswunden", erklärt Erkenger.
In den nächsten Tagen werden die Spenden dann mit Bussen direkt in die Ukraine gebracht. Bei der Organisation federführend beteiligt ist Oksana Ulrich, Geschäftsführerin des Styrassic Park in Bad Gleichenberg. Sie stammt aus Bukowina im Westen der Ukraine und steht in intensivem Kontakt mit Menschen vor Ort. "Durch die Vernetzung ist es sehr einfach und effektiv, direkt zu helfen."
97 weitere Flüchtlinge angekommen
Erst in der Nacht von Montag auf Dienstag erreichten durch ihre Bemühungen 97 weitere Flüchtlinge Bad Gleichenberg und Gnas. Die Situation ändere sich laufend. Viel hänge davon ab, ob es Evakuierungskorridore gebe. "In Irpin (einem Vorort Kiews, Anm.) sitzen seit Tagen 140 Leute in Kellern fest. Sie haben nichts zu essen oder zu trinken. Draußen ist alles voll mit Mienen." Busse für 20 Personen wären bereitgestanden, mussten jedoch ohne Zivilisten wieder umkehren.
Für jene, denen die Flucht bereits gelang, sucht Ulrich gemeinsam mit "einem großartigen Team" nach Unterkünften. Die Tourismusschulen nahmen bereits 50 Personen auf, auch im Pfarrheim in Gnas wurden bereits erste Flüchtlinge untergebracht. Für die Unterstützung der beiden Gemeinden und auch von Kaplan Dominik Wagner ist sie "unglaublich dankbar".
Quartiere gesucht!
Wie man am besten helfen kann? "Wer freie Quartiere für Familien hat oder mit der Essensversorgung helfen kann – bitte meldet euch", lautet Ulrichs Appell. "Es werden weiter Frauen und Kinder aus den zerbombten Städten ankommen." Jeden Tag bekomme sie weitere Anrufe mit Anfragen: Gerade sei man etwa auf der Suche nach einer Unterbringung für 45 Waisenkinder aus den ukrainischen Karpaten.
Aber auch Sachspenden seien nach wie vor wichtig. Vor allem Hygieneartikel und medizinische Ausrüstung. Finanzielle Hilfe würde man in erster Linie an Gastbetriebe in der West-Ukraine weiterleiten. "Sie sind mehr als überfüllt. Mit Geldspenden helfen wir den Unternehmern vor Ort." Es sei wichtig, dass Flüchtlinge Ankerpunkte im Ausland haben. Diesen haben sie mit Iryna Wurzinger und Oksana Ulrich gefunden.
Jakob Illek