Kateryna ist jetzt in Sicherheit. Ihre Tochter Sascha hat gerade den Spielraum entdeckt. Flink klopft die Zweijährige mit dem kleinen Holzhammer die rote Kugel durch das rote Loch. "Wir kommen aus Kharkiv", erzählt Kateryna und schaut ihrer Tochter zu. Schon plumpst die rote Holzkugel neben eine gelbe, die schon am Boden liegt. "Wir waren lange mit dem Auto unterwegs." Sofort, als der Krieg über die Ukraine hereinbrach, machten sie sich auf den Weg. "Sascha ist noch zu jung. Sie versteht nicht, was los ist."
Das Schülerhaus ist schon bezogen
Während Mutter und Tochter über Polen nach Österreich flohen, geriet Kharkiv unter russischen Dauerbeschuss. Gebäude stürzen ein, Menschen sterben. "Sascha fragt aber viel nach ihrem Kindergarten. Und nach ihren Freunden." Doch "ich fühle mich hier sicher", sagt Kateryna. Sie hat eine Unterkunft in den Tourismusschulen Bad Gleichenberg bezogen. Im Schülerhaus "Venedig" gibt es jetzt einen Spielraum, eine Waschküche, eine kleine Küche. In den Wohneinheiten warten separate Schlafräume und eigene Badezimmer.
"Wir haben das Gebäude innerhalb von zwei Tagen geputzt und hergerichtet", erzählt Schuldirektor Peter Kospach. Lehrerinnen und Schüler halfen mit, 50 Flüchtende haben nun Platz. 28 sind übers Wochenende bereits angekommen. "Wir müssen jetzt Strukturen schaffen, auch für die Kommunikation." Die Ukrainerinnen wollen jedenfalls mitanpacken. "Am Wochenende haben wir schon gemeinsam gekocht", sagt Mitarbeiterin Bettina Tobitsch. Die Menschen brauchen ja den Alltag.
Auch ein erster Rundgang durch den Kurort ist schon organisiert. Schüler Mikhail geht mit zwei Ukrainerinnen am Fenster des Spielraumes vorbei. Er stammt aus Belarus und muss dieser Tage viel übersetzen - genauso wie seine ukrainischen Mitschüler Anna und Ivan Romaniuk. "Ich versuche stark zu bleiben. Aber ich fühle mich gestresst wegen meinen Freunden und meiner Familie", sagt Anna. Ihre Großeltern etwa wollen Odessa im Südwesten der Ukraine nicht verlassen. "Wenn ich Nachrichten schaue, geht es mir schlecht. Es ist so viel Unsicherheit da: Was wird noch passieren?"
Jetzt zu helfen sei zwar schwierig, tue aber auch gut. Die Flüchtenden bereits kennengelernt zu haben, fühle sich "nach zu Hause an". Auch mit den Mitstudierenden aus Russland und Belarus redet man zwar "80 Prozent über den Krieg. Aber wir kennen uns schon seit drei Jahren, wir sind Freunde", sagt Ivan.
Gastfreundschaft für Schutzsuchende
Kospach und Tobitsch betonen: "Unsere Schüler aus der Ukraine, aus Russland und Belarus kümmern sich rührend." Überhaupt würde die gesamte Schulfamilie helfen. Eine Selbstverständlichkeit, offenbar, denn "wer, wenn nicht wir im Tourismus? Das ist unsere Gastfreundschaft. Und die macht uns aus", sagt Kospach. Die Schicksäle derer, die dieser Tage nach stundenlangen Zug- oder Autofahrten in Bad Gleichenberg ankommen, "berühren. Das lässt niemanden kalt. Es wäre eine Sünde, würden wir das Schülerhaus nicht zur Verfügung stellen."
Und der ganze Ort hilft mit. Im ersten Stock warten bereits zig Bananenschachteln voller Kleidung, Windeln und Babynahrung warten darauf, sortiert und eingeräumt zu werden. "Wer etwas spenden möchte, kann uns eine E-Mail schreiben", bittet Tobitsch (siehe Infobox). Dringend benötigt werden etwa eine Waschmaschine samt Trockner, ebenso Handtücher. Denn finanziert wird die Hilfe freilich nicht vom Schulgeld, sondern mit der Grundversorgung, die der Staat stellt.
Und mit ganz viel Mitgefühl und Engagement der Schülerinnen und Lehrer. Kospach ist sich sicher: "Man kann hier nicht wegschauen. Man muss einfach helfen und Unterstützung geben." Deshalb ist auch das ganze Team dabei.
Katharina Siuka