In der Luft liegt noch der feuchte Duft des Regens, ein Löwe blinzelt müde in die wenigen Sonnenstrahlen und wird dabei genaustens von Rosalinde Tieber (Rosa) beobachtet. „Ich bin großer Tierfan, schau gern Universum“, erklärt die 66-Jährige in der Tierwelt Herberstein. Sie beugt sich in ihrem Rollstuhl vor, um besser durch das Geländer zu sehen, doch da verschwindet die Raubkatze im Gebäude. „Du bist a Gauner“, kommentiert Tieber sichtlich genervt und bringt damit ihren Begleiter Kevin Maier zum Schmunzeln.
Barrierefreier Urlaub
Für den 31-jährigen Diplomsozialbetreuer aus Schützing (Gemeinde Riegersburg) stehen solche Momente an der Tagesordnung, denn er ist seit 2017 als Personenbetreuer mit „Freizeit Freisein“ selbstständig. Als solcher begleitet er Menschen mit Beeinträchtigungen auf Ausflüge, Reisen oder zum Arzt. Dafür sucht er übrigens noch Unterstützung von selbstständigen Betreuern. Zudem betreibt er als Geschäftsführer mit Marc Fauster und Patrick Trammer das Reisebüro „Grenzenlos Barrierefrei Reisen“.
Mit seiner Firma ist Maier in einer Nische aktiv, die immer relevanter wird, denn durch den Personalmangel werden selbst kleine Ausflüge in Altersheimen oder Wohnhäusern wie dem der Lebenshilfe in Feldbach, in dem auch Tieber lebt, immer seltener. „Früher sind wir auch mal auf einen Kaffee in die Stadt, das geht mit so vielen Rollstühlen und so wenig Personal nicht mehr“, erklärt Tieber, die selbst erfahrene Rollstuhlfahrerin ist. Doch gerade diese Auszeiten seien wichtig für die Psyche, sind sich Maier und Tieber einig: „Jeder will einmal wohin fahren.“
Bei den Reisen entsteht eine enge Beziehung
Während Maier den Rollstuhl mühsam über die Kieswege Herbersteins schiebt, scherzen sie. „Das ist auch wichtig, wir verbringen ja viel Zeit miteinander“, so der Sozialbetreuer. Es gebe eine Art Freundschaftsbuch, das Maier und seine Klienten ausfüllen. Deshalb kann er über Tieber viel erzählen.
Eine Umtriebige sei sie, und eine Kämpferin. Als Klientensprecherin kümmert sie sich um die Anliegen ihrer Mitbewohner im Wohnhaus, sie ist schon dreimal mit Maier bei Wings for Life mitgelaufen und hat vor kurzem ihren Pensionsantritt durchgeboxt. Ihr Blick bleibt am Gehege der Gibbons hängen, die wie wild herumturnen: „Ich bin ja auch recht sportlich, in der Pension hab‘ ich mehr Zeit dafür. Auch ins Kaffeehaus geh’ ich dann.“
Barrierefrei ist nicht gleich barrierefrei
Im Alltag stößt sie dabei öfter auf Barrieren, auch an Orten, die eigentlich als barrierefrei gelten. Böse Überraschungen könnten überall lauern – im Tierpark Herberstein, der nur teils barrierefrei ist, hat Tieber durch ihre Sitzposition oft Probleme über oder unter Geländern durchzuschauen. „Barrierefrei ist nicht gleich barrierefrei“, ergänzt Maier und zeigt auf eine lieb gemeinte Rollstuhlrampe, die halb im Gebüsch endet.
Genau dafür gibt es Maiers Angebot, im Reisebüro bietet er Informationen und Erfahrung an und als Personenbegleiter hilft er selbst, Hindernisse zu überwinden. Doch das kostet auch – bei etwa 28 Euro liegt sein Stundensatz. Gruppenreisen von LebensGroß oder anderen Anbietern seien viel günstiger, weil gefördert, so Maier: „Aber viele wollen auch einmal alleine etwas erleben. Nur das Gemeine ist halt, dass meine Dienste nur vom Klienten bezahlt werden.“
Bei vielen Menschen mit Behinderung müssen dafür dann die Erwachsenenvertreter mitspielen. Tieber hat Glück, ihre Schwester unterstützt die Reisen: „Auf dem Geld kann ich eh nicht oben sitzen“, fügt sie an, während sie zum Abschluss noch eines ihrer Lieblingstiere beobachtet – den Wolf. Mit einem Abstecher zum Stubenbergsee endete dann Tiebers Ausflug – das sei die perfekte Mischung, wie sie erklärt: „Ich bin ein bisserl eine Wasserratte und eine Kaffeetante.“