Nachdem in jüngster Vergangenheit bereits die Meldungen zur Insolvenz der Bäckerei Szudiak und Köberl Bau die Ost- und Südoststeiermark erschütterten, kommt nun ein weiterer Betrieb in der Region hinzu. Am Donnerstag wurde am Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma „Geflügelhof Reicher Ges.m.b.H.“ eröffnet, wie der Kreditschutzverband 1870 (KSV) sowie der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) mitteilen.
Die Verbindlichkeiten sollen einschließlich der Beendigungsansprüche der Dienstnehmer rund 5,13 Millionen Euro betragen. Die größten Teile davon entfallen auf Lieferanten (1.590.000 Euro), auf Bankverbindlichkeiten (1.550.000 Euro) sowie Rückstellungen, Beendigungsansprüche der Dienstnehmer (1.500.000 Euro). Zudem entfallen 100.000 Euro auf offene Löhne und Gehälter – Insgesamt sind 58 Dienstnehmer und 88 Gläubiger von der Insolvenz des Geflügelhofs betroffen. Als Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Alexander Isola aus Graz bestellt.
Die Aktiva, so berichtet der AKV, werden vom Unternehmen mit 2,43 Millionen Euro bewertet – damit würde sich eine Überschuldung 2,701 Millionen Euro errechnen. „Die erhebliche Abwertung des Anlagevermögens wird jedoch erst zu überprüfen sein. Durch den Wegfall einer Handelskette dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fortführung des Unternehmens nicht möglich sein“, so der die Gläubigerschützer des AKV.
Familienbetrieb aus Kapfenstein
Im Jahr 1967 wurde eine kleine Geflügelzucht in Gutendorf bei Kapfenstein durch Johann und Hilde Reicher gegründet, heißt es auf der Website des Geflügelhofs. 22 Jahre später erfolgte die Gründung der Firma „Geflügelhof Reicher Ges.m.b.H.“, die auf die Verarbeitung, Verpackung und den Handel von Geflügelprodukten spezialisiert war.
Doch die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine setzten dem Betrieb stark zu. „Die durch die diversen Krisen ausgelösten Preissteigerungen in unterschiedlichen Bereichen konnten aufgrund verzögerter Preisanpassungen bei den Handelsketten nicht in vollem Umfang ausgeglichen werden, wodurch ein Großteil der Mehrkosten vom Familienunternehmen getragen werden musste“, so der Geflügelhof Reicher im Insolvenzantrag über die Ursachen.
Zudem veränderte sich die Nachfrage am Markt in den letzten Jahren stark: Waren früher neben Filetware auch noch Keulen oder Flügel gefragt, so musste das Unternehmen diese zunehmend als Tiefkühlware in Länder wie Rumänien, Bosnien oder Tschechien exportieren, um das auszugleichen. Das sei seit dem Beginn des Ukrainekriegs nicht mehr möglich gewesen, so der Geflügelhof.
Langjährige Zulieferverträge fielen weg
Hauptknackpunkt sei jedoch das Wegfallen von zwei Zulieferverträgen mit einer Großhandelskette, die „nach über 50 Jahren Geschäftsbeziehung überraschend aufgrund der starken Preiskonkurrenz nicht mehr verlängert“ wurden. Hier hätte das Angebot einer weiteren Großhandelskette der Rettungsanker sein können, doch auch diese erteilte eine für Geflügelhof Reicher überraschende Absage aufgrund der Preiskonkurrenz. „Aufgrund dieser Absage und vor dem Hintergrund der ohnehin derzeit angespannten Situation aufgrund der Preissteigerungen wird ein positiver Fortbetrieb mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich sein, weshalb das steirische Familienunternehmen sich nunmehr gezwungen sah, das Konkursverfahren zu beantragen“, heißt es weiter im Schreiben des KSV 1870.