Wenn Niki vom Computerspielen erzählt, glänzen seine Augen. Und wenn er am Schlagzeug sitzt, gibt er ordentlich Gas. Auf den ersten Blick ist der 13-Jährige ein ganz normaler Jugendlicher. Doch vor zwei Jahren sollte sich das Leben von Niki und seiner Familie von einem Tag auf den anderen schlagartig ändern: Er leidet an Gliedergürtelmuskeldystrophie, einer unheilbaren Muskelerkrankung.

Die Alarmglocken schrillten

Mutter Beatrix Keller erzählt: „Niki hat von klein auf Fußball gespielt und ist Ski fahren gegangen. Als er 8 Jahre alt war, diagnostizierten die Ärzte dann eine verkürzte Achillessehne und eine verstärkte Wadenmuskulatur.“ Dehnungsübungen sollten dagegen helfen – in Wirklichkeit waren es bereits die ersten Anzeichen dafür, dass mit Nikos Muskeln irgendetwas nicht in Ordnung war. „Im Jahr darauf ist uns aufgefallen, dass unser Sohn schlechter Ski fährt als im Jahr davor“, erzählt Frau Keller. Und als die Klassenvorständin berichtete, dass Niki auch beim Sport schwächer wurde, schrillten bei den Eltern die Alarmglocken.


Am 11. Juli 2014 vormittags dann der Termin auf der Kinderklinik – nachmittags stand das Ergebnis fest: „Es war der schrecklichste Anruf meines Lebens. Der Bluttest hatte nämlich ergeben, dass Niki extrem erhöhte CK-Werte hat, das Indiz für eine Muskelerkrankung.“ CK (Creatinkinase) ist ein Enzym, das für den Stoffwechsel der Muskelzellen wichtig ist. Ist der Wert erhöht, deutet das darauf hin, dass der Muskel „zerfällt“. Im Jänner 2015 stand dann die endgültige Diagnose fest: Gliedergürtelmuskeldystrophie. Eines von 30.000 Kindern erkrankt in Österreich an dieser Form, wobei die Krankheit irgendwann zwischen dem 2. und 15. Lebensjahr ausbrechen kann. In der Folge kann die Krankheit die Patienten zuerst zu Rollstuhlfahrern machen, später eine völlige Unbeweglichkeit herbeiführen, die eine 24-Stunden-Pflege nötig macht.

Krankheit verzögert oder gestoppt

„Wie der genaue Krankheitsverlauf aussieht, kann niemand sagen“, meint Vater Peter Keller. Doch die südsteirische Familie wollte nicht aufgeben. Nach langer Suche wurde sie fündig: Vor ein paar Jahren initiierte die renommierte Berliner Charité-Klinik ein Programm, das genau Kindern und Jugendlichen wie Niki helfen soll. „Vereinfacht gesagt, werden dafür aus dem Bindegewebe Muskelzellen entnommen und daraus Stammzellen gemacht“, erläutert Vater Peter. „Wir sind dafür mit Niki nach Berlin gefahren.“ Diese Stammzellen werden dann an jenen Ort gebracht, an dem das defekte Gen sitzt, und reparieren dieses sozusagen. Damit kann der Verlauf verzögert, womöglich sogar gestoppt werden. Ein Vorgehen, das auch von der deutschen Ethikkommission gutgeheißen wird.


So weit die gute Nachricht. Diese Form der Therapie ist jedoch auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten – vergleichbar mit einem Schloss, das immer einen ganz bestimmten Schlüssel braucht, um geöffnet werden zu können. Und das kostet viel Geld, um genau zu sein, 190.000 Euro. Geld, das die betroffenen Familien selbst aufstellen müssen. „Wir haben nun alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Geld irgendwie aufzutreiben“, so Mutter Beatrix. Die Hilfsaktion „Steirer helfen Steirern“ will nun mithilfe der Leserfamilie der "Kleinen Zeitung" Niki und seine Familie ebenfalls unterstützen. Sowohl die Großeltern des Buben als auch viele Freunde, Bekannte und Unternehmen haben schon bis jetzt dazu beigetragen. Mutter Beatrix: „Diese Therapie ist für uns der einzige Strohhalm, an den wir uns klammern können.“

Keine Barrieren

Das Leben der Familie hat sich seit damals sehr verändert: Um Niki den Alltag leichter zu machen, zogen der 13-Jährige, seine Eltern und seine kleine Schwester in ein barrierefreies Haus. „Unser Sohn tut sich beim Stiegensteigen schon schwer“, erzählt Mama Beatrix. Laufen und Radfahren sind nicht mehr möglich.
Doch im Haus der Familie in Leibnitz wird auch täglich geübt: mit einem Gymnastikball, einem Ergometer, einem kleinen Trampolin – und eben am Schlagzeug. „So versuchen wir, Nikis Beweglichkeit so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.“ Es gibt auch traurige Momente: „Diesen Sommer konnte er nicht beim Pokémonsuchen mitmachen.“


Aufgeben will die Familie aber keineswegs – auch nicht Niki: „Wenn ich die vierte Klasse Gymnasium abgeschlossen habe, will ich den PC-Zweig an der HTL Kaindorf machen und Programmieren lernen.“