Ionela lässt Frau Anna nur selten aus den Augen. Sie begleitet sie natürlich auch, wenn sie einen ihrer Spaziergänge mit dem Rollator in ihrer Hartberger Wohnung macht. Anders ist es nicht möglich, denn die 95-jährige Frau braucht Pflege und Betreuung rund um die Uhr. "Es ist der Job meines Lebens", freut sich die 30-jährige Rumänin. "Auch wenn ich dafür ziemlich viel aufgegeben habe." Seit fünf Jahren ist sie 24-Stunden-Pflegerin in der Steiermark.

Forderung an die Politik

Der Tag beginnt für Ionela um sechs Uhr morgens. "Zuerst schaue ich einmal, wie Frau Anna geschlafen hat und öffne die Vorhänge. Die Morgensonne ist für ältere Menschen besonders wichtig", erzählt die aus der kleinen Stadt Oravita stammende Pflegerin. Danach geht es an die Medikamenteneinteilung für den Tag und an das Zubereiten eines weichgekochten Eis. "Wir frühstücken jeden Tag gemeinsam", so die Pflegerin. Ein gemeinsames Gespräch am Morgen sei die Basis für einen gelungenen Arbeitstag – für beide Seiten.

Video-Doku über pflegende Jugendliche

Aktuell verdient Ionela Haret 2400 Euro brutto im Monat. Die Rumänin ist eine von vielen Frauen, die in Österreich über eine Agentur als sogenannte 24-Stunden-Betreuerin arbeitet: "Ich bin für die komplette Versorgung meiner Patientinnen und Patienten zuständig. Dazu gehört Kochen, Putzen, Waschen, Bügeln und Einkaufen", sagt Ionela.

"Ich habe aber wirklich Glück mit meiner Frau Anna, sie ist immer gut drauf, macht Witze und bringt mich zum Lachen. Das ist so wichtig in der Pflege", erzählt Ionela. Und: Sie ist noch sehr agil und mobil. "Pflegerinnen, die bettlägerige Klienten zu umsorgen haben, müssten eigentlich um ein Drittel mehr verdienen, weil dies wirklich Schwerarbeit ist. Das ist meine Forderung an die Politik", meint die diplomierte Pflegerin.

Heimweh

Ein weiteres Ritual ist es auch, täglich gemeinsam zu kochen. "Als Pflegerin oder Pfleger lebt man sozusagen das Leben der älteren Menschen und das ist wichtig und gut so, denn man muss sich mit ihnen identifizieren." Ist das Geschirr wieder sauber gewaschen, nützt Ionela ihre dreistündige Mittagspause dazu, um sich auszuruhen oder spazieren zu gehen. "Hier kontaktiere ich dann meist meine Familie in Rumänien. Hin und wieder habe ich halt auch Heimweh. Ich habe dort mein ganzes Leben aufgegeben", gibt Haret zu.

Ionela und ihre Patientin Anna
Ionela und ihre Patientin Anna © privat

Auch die Nachmittage gleichen einander täglich: Das "Mensch-ärgere-dich-nicht"-Spielbrett hat seinen fixen Platz im Herrgottswinkel und bleibt hier auch griffbereit für Ionela. "Auch dies gehört zu unseren Aufgaben, ältere Menschen sollen zum Kind werden dürfen und sich auch wie eines über kleine Erfolge bei Brettspielen freuen dürfen", meint die 30-Jährige. Meist wird dazu gejausnet oder ein warmer Kakao getrunken, kurz bevor sie Anna wieder ins Bad und danach in ihr Bett begleiten wird.