Lautlos ziehen Nebelschwaden zwischen den kahlen Bäumen umher, ein bunter Blätterteppich hat die gesamte Anhöhe unter sich zugedeckt. Unterbrochen wird die mystische Stille nur von einem raschelnden Geräusch, wenn sich die Schuhe Schritt für Schritt ihren Weg durch den Wald suchen. Geheimnisvoll ist an diesem Herbsttag aber nicht nur die Stimmung, auch das, was unter den Füßen liegt. Im Stillen passiert gerade Großes, das es notwendig macht, die Geschichte des Wechsellandes neu zu schreiben. Unweit der jetzigen Ruine Bärnegg (Gemeinde Schäffern), inmitten eines Waldstückes, ist man auf eine mittelalterliche Wehranlage gestoßen, von deren Existenz davor niemand gewusst hat.
Vor einem Graben bleibt Andreas Salmhofer, Obmann des Historischen Vereins Wechselland und Initiator der Erkundungen, stehen. "Das hier war ein Burggraben. Rechts war die Zufahrt und vermutliche eine Zugbrücke", erklärt er. Woher er das weiß? "So etwas entsteht nicht natürlich. Das hat der Mensch bewusst gegraben. Rundherum ist es überall steil, das war der einzige Zugang", erklärt er. Die Geländestruktur ließ ihn gemeinsam mit Burgenforscher und Archäologen Thomas Kühtreiber schon länger vermuten, dass sich unter der Erde Historisches verbirgt, in wenigen Wochen werden sie es, dank einer Bodenradarmessung, schwarz auf weiß haben.
Raster aus Seilen
Akribisch genau legen die beiden Archäologen Volker Lindinger und Daniel Steinhauser währenddessen gerade einen Raster aus Seilen quer über den Waldboden. Er ist notwendig für die Messungen mit dem Georadar-Gerät, das es möglich macht, alles, was im Boden versteckt ist, sichtbar zu machen. Was früher mühevoll und vor allem über Jahre hinweg mit immensen Kosten verbunden ausgegraben werden musste, ist jetzt binnen weniger Stunden digitalisiert. "Wir gehen das Gebiet in Linien ab, alle halben Meter", erklärt Lindinger, während er das Georadar gleichmäßig über den Boden zieht und dabei den Blick vom Bildschirm nicht abwendet. Am Ende entsteht aus den Messungen ein Datenblock, der horizontal geschnitten wird und dessen Tiefenschichten interpretiert werden. Daraus ergibt sich schließlich ein Körper, der zeigen wird, wie die Burg, die um 1200 dort gestanden haben soll, tatsächlich ausgesehen hat.
Eineinhalb Meter dicke Mauern
"Da, wo wir stehen, war das Wohnhaus, dort und da drüben war jeweils ein Turm", erklärt der Archäologe freudestrahlend, während der mit seinen Händen auf die Standorte deutet. Dass die Mauern eineinhalb Meter dick waren, weiß er ebenso, wie, dass viele von ihnen nur 25 Zentimeter unter dem Waldboden liegen. Mit jeder weiteren Armbewegung, mit der Lindinger etwas andeutet, wird die alte Burg vor dem geistigen Auge sichtbar. Nur die Umgebung von damals muss man sich anders vorstellen. "Da war kein Baum, denn hinter jedem hätte ein feindlicher Ritter sein können", schmunzelt Salmhofer.
Während Steinhauser neue Batterien für das Messgerät holt, bereitet Lindinger der Vorburgbereich noch Kopfzerbrechen. "Da sind einige Mauerzüge, die noch keinen Sinn ergeben", grübelt er. Dass sich die alte Burg so gut unter dem Waldboden versteckt, hat aber wohl noch einen anderen Grund. "Es schaut so aus, als ob die Burg komplett geschleift worden war und das Material für die neue Burg weiter unten wieder verwendet wurde", erklärt Lindinger und weiß das aus einem Grund: "Sonst würde man Reste von Mauermörtel finden oder Mauerreste sehen."
Grabungen an neuralgischen Punkten
Bisher ging man davon aus, dass diese "neue Burg", die heute noch als Ruine dasteht, die "alte Bärnegger Burg" war. "Es gibt schon einige Theorien, die wir in den Mülleimer schmeißen müssen", sagt Salmhofer und hofft, dass man langfristig, durch exakte Grabungen an neuralgischen Punkten - also dort, wo beispielsweise Mauern aufeinander treffen - mehr über die einstige Burg erfahren wird. "Man muss nicht Stonehenge ausgraben", freut sich der Historiker über den Fund dieser hochmittelalterlichen Burg und sagt: "Eines ist fix: Die Geschichtsbücher des Wechsellandes müssen wir auf alle Fälle umschreiben."