Sie spricht sechs Sprachen, ist ausgebildete Konditorin und führt in naher Zukunft das wohl bekannteste Schokoladen-Unternehmen in Österreich: Julia Zotter (35), Tochter von Schokolade-Zampano Josef Zotter, hat vor Jahren in Shanghai (China) Fuß gefasst, ihr Herz jetzt aber endgültig an die Oststeiermark verloren. Einmal um den Globus zieht die 35-Jährige jetzt zurück nach Feldbach und Bilanz über ein "bitter-süßes" Leben zwischen Chancen und Scheitern.
Nicht jede Unternehmerfamilie hat das Glück, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin in der Familie zu finden. In wenigen Jahren werden Sie den Familienbetrieb in Bergl übernehmen – wer oder was hat Sie dazu motiviert.
JULIA ZOTTER: Ich bin ja zuerst in der Konditorei meiner Eltern in Graz und dann in der Schokomanufaktur aufgewachsen, das prägt natürlich. Meine erste Aufgabe war es, jeweils einen Kürbiskern auf eine Schokolade zu legen. Für einen Tag Mitarbeit haben mein Bruder Michael und ich ein Kinoticket bekommen. Das hat motiviert. Trotzdem wollte ich eigentlich, bis ich 16 war, Astronautin werden. Meine Eltern haben sich dem auch nie in den Weg gestellt, egal wie träumerisch ich war. Mit Schoko weiterzumachen, habe ich erst beschlossen, als wir begonnen haben, komplett auf Bio und Fair umzustellen. Und das möchte ich weiterführen. Es gibt nichts, was ich lieber machen würde, wenngleich es manchmal auch bitter sein kann, weil man von vielen Faktoren abhängig ist.
Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 230 Mitarbeiter. Nicht immer war es aber leicht für Sie Verantwortung abzugeben? Können Sie loslassen?
Ja, alles. Nur nicht eine geöffnete Tafel Schokolade [lacht]. Loslassen ist mir in der Tat immer sehr schwergefallen. Mein Baby war vor wenigen Jahren das Schokoladen-Theater in Shanghai. Nur selten bin ich nach Hause gekommen, weil ich nicht weg und das Geschäft aus der Hand geben wollte. Als ich dann einmal zu Hause war, kam der große Corona-Lockdown, der Flugverkehr stand still und ich musste plötzlich auf meine Mitarbeiter in China vertrauen. Das hat mich wahnsinnig gemacht, unternehmerisch aber um ein großes Stück weiter gebracht. Vertrauen ist alles!
Ihr Vater wurde als Schokolademacher bekannt. Wie ist Ihr Zugang zum Handwerk?
Nicht immer süß, manchmal war es auch sehr bitter: Ich bin in einem Unternehmen aufgewachsen, wo es nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen und große Probleme gab. Der Konkurs 1996 hat unsere Familie geprägt und das war wohl die beste Schule aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Vor Kurzem habe ich die Meisterprüfung zur Konditorin absolviert. Ich musste ein zweites Mal antreten, weil mir eine Schoko-Figur gebrochen ist. Misslungene Übungstorten habe ich auf einen Ameisenhaufen geworfen. Die haben sich zumindest gefreut. Beim zweiten Anlauf war die Jury dann aber von Textur und Geschmack begeistert. Manchmal dauert es länger, bis aus harter Arbeit eigenes Handwerk entsteht.
Wenn man in einer "Schokoladenmanufaktur" groß wird, welche Schoko hat man da am liebsten?
Meine allererste Lieblingsschokolade war die Milchcreme-Schoko und dann ganz lange die Käseschoko. Offiziell durfte ich jeden Tag eine Tafel haben, aber natürlich hab ich heimlich viel mehr gefuttert. Seitdem habe ich immer wieder meine Lieblingsschoko gewechselt, bis ich mittlerweile gar keine mehr habe. Weil ich sie alle esse.
Welche Tafel müsste noch erfunden werden?
Das ist vollkommen klar und ich arbeite bereits mit meinem Vater daran: Eine Steak-Schokolade und eine mit veganem Karamell muss unbedingt noch erfunden werden.
Von Paris bis Shanghai, von London bis Brasilien: Warum zieht es Sie nun zurück in eine kleine Wohnung nach Feldbach?
Heimkommen ist immer eine Frage der Reife und des Erlebten. Für den einen fällt die Entscheidung früher, für den anderen später. Feldbach ist für mich deshalb interessant, weil hier einen Teil meiner Freunde habe und außerdem die Nähe zum Familienbetrieb. Das macht das Leben nicht nur einfach, sondern auch sehr genussvoll.
Ewald Wurzinger