Ihre Erfolgsgeschichten pflastern nicht ihren Weg, sondern hängen an der Wand, liebevoll eingerahmt und festgehalten. Bilderrahmen an Bilderrahmen, mit aufwendig gestalteten Geburtskarten, liebenswerten Fotos und aufrichtigen, herzlichen Dankesworten.

In jedem Rahmen schlummert friedlich ein Neugeborenes oder lacht eine frisch gebackene Familie. „Das ist die beste Werbung für uns“, sagt Frauenarzt Wolfgang Motter, der mit seiner Frau und Allgemeinmedizinerin Henriette Motter in den vergangenen Jahren Hunderte werdende Mütter in ihrer Ordination in Hartberg begleitet hat.

Sie wissen gar nicht, wie viele Bilderrahmen in den Räumlichkeiten – vom Empfang über den Warteraum bis zu den Behandlungszimmern – hängen. Hunderte sicher, neben- und übereinander, von leicht vergilbten Fotos in altmodischen Bilderrahmen aus den Anfängen bis zu modernen Geburtskarten. Mehr werden es jedoch nicht, denn die beiden gehen mit Ende Juni in Pension und schließen nach 35 Jahren ihre Praxis.

Mit Wehmut. Sie werden die Patientinnen vermissen – und die Patientinnen sie. „Die Frauen sind traurig, manche weinen, es ist ein schwerer Abschied“, sagt die 67-Jährige. „Man begleitet die Patientinnen durchs Leben, gewöhnt sich aneinander und wird gemeinsam älter. Das ist das Schöne an der niedergelassenen Medizin“, sagt ihr Mann.

Erfolge und Schicksalsschläge

Rund 30.000 Patientinnen aus der Region haben sie gemeinsam im Laufe der Zeit betreut. Einige Patientinnen, die nun schon selbst Mama sind, haben sie gar als Baby im Bauch ihrer Mütter im Ultraschall gesehen, erzählt das Ärztepaar.

Freud und Leid, beides war dabei Teil ihrer Arbeit. "Die Geburtsmedizin hat uns immer Freude gemacht. Wenn alles gut geht, freuen sich alle über ein Kind", sagt der 69-Jährige. "Das ist ein schöner Erfolg", ergänzt seine Frau. Berührt haben sie traurige Schicksale wie Fehlgeburten, unerfüllte Kinderwünsche oder Krebserkrankungen. "Da denkt man schon, mein Gott, was muss diese arme Frau mitmachen", sagt Wolfgang Motter.

Mehr Zeit für Familie und Haus

Besonders schön war es wiederum, wenn Kinderwunschtherapien erfolgreich waren. "Einmal haben wir Drillinge bekommen", freut sich Henriette Motter. Das Bild vom kleinen gesunden Kinder-Trio hängt direkt neben ihrer Behandlungsliege, neben vielen weiteren bunten Rahmen. "Die Patientinnen haben die Fotos mitgenommen und irgendwann haben wir begonnen, diese aufzuhängen. Es wäre ja schade gewesen, diese in der Kartei zu lassen", sagt die Ärztin, während sie durch die Praxis geht und die Bilder aufmerksam begutachtet, als würde sie sie zum ersten Mal sehen. Auch Zeitungsausschnitte von Neujahrsbabys sind darunter, zeigt ihr Mann.

Zwischen die Bilder ihrer Patientinnen mischen sich Fotos ihrer eigenen, mittlerweile erwachsenen Kinder. Ihre Söhne haben schon selbst Nachwuchs, ihre Tochter beendet gerade ihr Veterinärmedizin-Studium. "Wir haben gesagt, wir arbeiten so lange, bis unsere Tochter fertig ist. Dann können wir uns zurücklehnen", sagt Henriette Motter. In der Pension freut sie sich, so wie ihr Mann auch, vor allem auf mehr Zeit mit ihren Kindern und Enkeln sowie für Haus und Garten.

Suche nach Nachfolger

Mit viel Engagement, aber bislang vergeblich, versuchten Henriette und Wolfgang Motter Nachfolger für ihre Ordination zu finden – zum einen für ihre beiden "besonders tüchtigen und erfahrenen" Mitarbeiterinnen, zum anderen für ihre vielen Patientinnen. Mit 1. Juli 2022 ist die offene Kassenarztstelle nun ausgeschrieben.

Bis dahin nehmen die beiden noch jeden Tag Abschied, sagt Henriette Motter. Bis sie die Ordination räumen müssen. Die gesamte medizinische Ausstattung und alle Instrumente schenken sie einem Krankenhaus in Afrika, wo es dringend gebraucht werde, erzählt sie. Die Bilderrahmen mit unzähligen Erinnerungen kommen hingegen mit nach Hause und werden aufbewahrt, versichern die beiden.