Schwarze Gummistiefel stehen herum, zwei rote Mistschaufeln lehnen an der Wand: Bis vor wenige Wochen noch vom Hochwasserschlamm verdeckt, scheint sich der Grünstreifen vor dem größten Putenstall in Unterlungitz erholt zu haben. „Nach außen hin schaut alles gut aus, aber innen ist der Stall leer geblieben“, zieht eine schwarz gekleidete Frau einen gefalteten A4-Zettel aus ihrer hinteren Hosentasche. „Das ist der Grund, der nun das Ende einer 35-jährigen Landwirtschaft bei uns einläutet“, zeigt Bäuerin Petra Winkler-Heschl auf das Schreiben, in dem der Familie mitgeteilt wird, dass es für die 3000 im Hochwasser verendeten Puten keine Entschädigung geben wird. Diese Art von „Schäden“ seien schlichtweg nicht gedeckt.

Vertragsklausel

Rückblick: Mehr als 12.000 Puten sind in den verheerenden Fluten vom 9. Juni in der Oststeiermark verendet. Betroffen waren drei Bauern in Unterlungitz, Grafendorf und Unterrohr. Unter ihnen Petra Winkler-Heschl, auf deren Betrieb mehr als 3000 ausgewachsene Puten binnen weniger Minuten ertrunken waren. Entstandener Schaden: rund 90.000 Euro. „Eine Summe, bei der man sich auf die Versicherung müsste, verlassen können.“

Abgeschlossen hatte Bäuerin Petra Winkler-Heschl einen Vertrag über ihren Tierbestand bereits vor zwanzig Jahren bei einer deutschen Versicherung – einer Ertragsschaden-Versicherung für landwirtschaftliche Nutztiere. „Ausschlaggebend dafür waren die Vogelgrippe oder die Schwarzkopfkrankheit. Seuchen, gegen die man sich als Geflügelbauer versichern musste“, erinnerte sich die Landwirtin. Für den Versicherungsschutz hat die Putenzüchter-Familie jährlich eine Prämie von rund 2000 Euro bezahlt.

Mit ihrem Handrücken klatscht Winkler-Heschl erzürnt auf das Schreiben. Die deutsche Versicherung beruft sich weiterhin beharrlich auf eine Vertragsklausel: „Elementarschäden durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen sind aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit und des potenziell großen Ausmaßes oft von Verträgen ausgenommen“, heißt es vonseiten der Versicherung. Gedeckt seien nur Tierseuchen, Unfälle im Stallgebäude (Stichwort: Lüftungsanlagen) oder auch Brandschäden. Kurzum: Sie bezahlt den Schaden durch das Hochwasser nicht. Der Brief liegt der Kleinen Zeitung vor. In einem Gespräch wurde das der Redaktion auch so bestätigt.

Höhere Gewalt

Die Entscheidung ist fix, die Familie sperrt den Stall nun zu. „Der Stall bleibt leer, keine Jungtiere werden mehr nachgekauft“, blickt die Bäuerin zu Boden. Zwar wurde rund ein Drittel der Schadenssumme durch den Katastrophenfonds des Landes gedeckt, berichtet Winkler-Heschl, dennoch kann und möchte die Landwirtin kein weiteres Risiko eingehen. „Wegen der Unberechenbarkeit des Klimawandels und der einhergehenden Wetterextreme, möchte uns die Versicherung auch künftig nicht gegen Hochwasser versichern. Das ist der Grund, warum wir keinen Sinn mehr sehen“, erzählt die Bäuerin. Von der Politik fordert sie nun ein Gesetz, das Versicherungen künftig von Haus aus verpflichtet, bei Hochwasser auch Schäden im Tierbestand zu berücksichtigen. „Das muss in Zeiten des Klimawandels in der Elementarversicherung verankert sein.“

Ein ähnliches Bild der Verwüstung hat der 9. Juni auch in Grafendorf gezeichnet: Im Stall von Putenzüchter Helmut Schuller sind mehr als 5000 Tiere verendet, ein Verlust von rund 90.000 Euro. Auch hier greift die Versicherung nicht. Schuller versucht nun alles, um den Schaden in der Haushaltsversicherung decken zu können. „An einen Anwalt denke ich nicht, das Hochwasser hat mir all meine Nerven genommen.“