Aller Anfang ist bekanntlich schwer. So war auch die Umsetzung des Carsharing-Modells in Pöllau ein langer Weg. Die Idee dafür reifte durch das Projekt „Essen auf Rädern“, bei dem ältere Personen auf Wunsch das Mittagessen durch freiwillige Helfer zugestellt bekommen. Einer von ihnen war der Pensionist Fritz Pötz. „Da wie dort jammerten mir alleinstehenden Personen ohne eigenem Auto vor, nirgends hinzukommen, sei das zum Arzt oder zum Friseur“, rekapituliert er. Folglich ließ er einen Versuchsballon steigen, indem er ehrenamtliche Fahrer um sich scharte und einen Taxidienst mit deren Privatautos zum offiziellen Kilometergeld anbot. Dieser Hilfsdienstwar für Pötz aber nicht das Gelbe vom Ei.
Viermal um die Erde
Als er von Victoria Schlagbauer, Geschäftsführerin der Klima- und Energie-Modellregion Naturpark Pöllauer Tal, von einem Fördermodell erfuhr, wonach die Hälfte der Unkosten für eine innovative gemeinnützige Sache abgedeckt werden, ging Pötz in die Offensive. Er kreierte den Mobilitätsdienst „Mobil50plus“. Indem die Privatstiftung der Sparkasse Pöllau ein Firmenauto dem 2020 neu gegründeten Verein zum Geschenk machte und durch die Anschaffung eines weiteren E-Autos der Marke VW Golf konnte das erweiterte Carsharing-Modell starten.
Wer möchte, kann sich – Anruf unter Tel. (0664) 344 7650 von Montag bis Freitag im Zeitraum von 8 bis 18 Uhr genügt – bequem von zu Hause an jeden gewünschten Punkt auch außerhalb des Bundeslandes bringen lassen, oder selbst das Volant in die Hand nehmen. Dafür muss er über sein Smartphone eines der drei Carsharing-Autos – im Vorjahr wurde auf Leasing-Basis ein weiterer PKW herbeigelotst – buchen. „Zurzeit gibt es rund 100 registrierte Nutzer, Tendenz leicht steigend“, umreißt Reinhold Schöngrunder, Schriftführer des Vereins Mobil50plus, den Ist-Zustand. Höchst zufrieden ist er mit der Bilanz der in drei Jahren zurückgelegten knapp 160.000 Kilometer. „Das bedeutet eine vierfache Erdumrundung“, zieht Schöngrundner einen plakativen Vergleich.
Derzeit ist der Heimathafen der drei Autos das Pöllauer Ortszentrum. Angedacht ist, einen weiteren PKW anzuschaffen und diesen in einem dicht verbauten Siedlungsgebiet im Tal oder aber in Pöllauberg zu platzieren. Das ist aber noch Zukunftsmusik, wie auch die von Pötz forcierte Idee, den Mobilitätsdienst geografisch auszuweiten und Hartberg an Bord zu holen. „Das würde eine Attraktivitätssteigerung bedeuten. Wir könnten den Hartbergern unser Know-how und unsere Buchungsplattform fast zum Nulltarif anbieten“, wirft Pötz den Köder Richtung Bezirkshauptstadt aus. Der Mehrwert ergäbe sich aus der daraus erwachsenden Möglichkeit zu One-Way-Buchungen, indem man das Leihauto im jeweils anderen Ort abstellen könnte.
Für Hartberg nicht lukrativ
Hartbergs Gemeindechef Marcus Martschitsch kann dieser Idee aus wirtschaftlichen Gründen nichts abgewinnen: „Das rechnet sich nie und nimmer. Wir als Stadtgemeinde hatten ja über acht Jahre lang ein öffentliches Leihauto, den sogenannten Harti. Vor eineinhalb Jahren wurde das subventionsbedürftige Projekt wieder eingestellt, weil die Nachfrage recht gering war.“ Aus der Sicht von Martschitsch ist die innerstädtische Mobilität durch den City-Bus und das Sammeltaxi SAM bestmöglich abgedeckt. Um die hohe PKW-Dichte etwas zu drosseln, schlägt Hartberg eine neue Fahrtrichtung ein. So bietet man Wohnbauträgern die Möglichkeit an, weniger Parkplätze als gesetzlich vorgeschrieben bei Neubauprojekten zu errichten, wenn man stattdessen den Bewohnern ein Mietauto zur Verfügung stellt. Martschitsch dazu: „Bei zwei Wohnprojekten in der Josef Lind Straße, die heuer noch fertig werden, kommt dieses Modell zur Anwendung.“
Franz Brugner