Wenn man Moritz Potz fragt, wie es ihm mit seiner Erkrankung geht, antwortet er trocken: „Normal.“ Der inzwischen 22-jährige Student besucht den Sterntalerhof aufgrund von seiner Muskeldystrophie, bei der sich fortschreitend Muskelgewebe rückbildet. Schon seit rund zehn Jahren kommt er mit seiner Familie regelmäßig auf den Hof, früher gemeinsam mit seinem schon an derselben Krankheit verstorbenen jüngeren Bruder.
Seine Diagnose bekam Potz mit sieben Jahren, seit seinem zehnten Lebensjahr kann er nicht mehr gehen. Doch er sieht sich nicht als krank. „Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, sage ich wahrheitsgemäß gut“, erzählt er. „Man kann gut damit umgehen, aber fair ist es nicht und das ärgert mich jeden Tag.“
Urlaub vom Alltag
Die Diagnose war für ihn eine Erleichterung, sagt er. Es sei beruhigend gewesen, zu wissen, dass er nicht selbst daran Schuld war, anders als die anderen Kinder zu sein und beim Spielen oft nicht mitlaufen zu können. „Für mich war das damals etwas Positives“, erzählt er. „Ich habe noch nie Wert darauf gelegt, mitzulaufen, für mich war Zuschauen immer wichtig.“
Seine Eltern haben mit Potz immer offen über seine Erkrankung gesprochen, was für ihn sehr wichtig war, denn betroffene Kinder würden später sowieso herausfinden, was Sache ist. „Kinder können im Vergleich zu Erwachsenen Dinge einfacher annehmen, wie sie sind.“ Schwierig sind für ihn vor allem Arztbesuche, denn man werde daran erinnert, nicht der Norm zu entsprechen: „Das ist oft schwer zu verkraften.“
Der Sterntalerhof hilft Potz, aus dem Alltag hinauszukommen. Der Hof soll für die Familien eine sichere Umgebung sein, Außenstehende betreten das Gelände nur selten. „Aus dem Alltag gerissen zu werden, ist bei lebensbeeinträchtigenden Krankheiten notwendig“, sagt er. Potz hat hier immer gute Erfahrungen gemacht, den Sterntalerhof würde er Betroffenen auf jeden Fall weiterempfehlen: „Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Nachteil gibt, wenn man hier herkommt.“ Vor allem hat ihm der Hof geholfen, offener und motivierter an Dinge heranzugehen, erzählt er. „Der Ort hat etwas. Aber was genau weiß ich auch nicht: Man kommt an und ist im Urlaubsmodus“, lacht er.
So sieht es am Sterntalerhof aus:
Betreuung von der ganzen Familie
Am Sterntalerhof ist es wichtig, immer die ganze Familie zu betreuen, betont Geschäftsführer Harald Jankovits. „Wenn ein Familienmitglied erkrankt, erkrankt die ganze Familie mit“, erklärt er. Für jede Familie wird ein individueller Therapieplan angefertigt, der sogar tagesaktuell mit den Bedürfnissen der jeweiligen Familie abgestimmt wird. Moritz Potz nennt als Höhepunkt des Tages das gemeinsame Mittagessen.
Christina Holper, fachliche Leitung am Sterntalerhof, arbeitet schon seit einigen Jahren mit den Familien dort zusammen. Eigentlich kam sie mit dem Ziel, das Jobangebot nicht anzunehmen, doch sie war von all dem Positiven auf dem Hof überrascht worden. Im Begleiten sei man nur gut, wenn man mitfühle, aber nicht mitleide. „Viele erwarten sich einen Fokus auf dem Tod“, mutmaßt Moritz Potz. Das ist seiner Meinung nach ein gesellschaftliches Problem: Die Leute würden keinen Kontakt mit dem Tod wollen, weil sie Angst hätten, dass er dann für sie real wird. „Aber ich komme nicht hier her, um zu sterben, sondern um zu leben“, macht Potz deutlich.
Anna Pilch