"Und in der Hofpause gehen wir da vorbei, und in der Früh, und dann auch am Nachmittag beim Heimgehen", zählt Moritz eifrig auf. Der Volksschüler sitzt im hohen Gras hinter der Turnhalle seiner Schule, um ihn herum wachsen Klee, Margeriten und Stiefmütterchen. Es summt in der kleinen Wiese. Kein Wunder: Nur einen Meter hinter Moritz stehen sechs Bienenstöcke. Angst hat der Bub keine - an die fleißigen Tierchen ist man hier gewöhnt.
Sechs Völker mit je 60.000 bis 80.000 Bienen haben vor Kurzem mitten im Pflichtschulcluster Judenburg-Lindfeld ein neues Zuhause gefunden. Für die Schülerinnen und Schüler der Volksschule, der Mittelschule und des Polytechnikums sind die Bienen die Attraktion Nummer eins. "Man braucht sie, damit Blumen bestäubt werden können", erklärt Peter. "Und wenn sie stechen, dann sterben sie leider", fügt Julia hinzu. Die 280 Kinder des Schulclusters entwickeln sich zu echten Bienenexperten.
"Genau das ist Sinn und Zweck des Projektes. Die Kinder und Jugendlichen sollen einen Bezug zum Thema bekommen", bekräftigt Marco Krätschmer, Direktor des Schulclusters. An diesem Vormittag kann er Besuch willkommen heißen - Imker Martin Diethart ist zu Gast, um nach seinen Stöcken zu sehen. "Der Standort hier passt gut, die Bienen fliegen drei bis vier Kilometer, um Futter zu finden. Hier entsteht bester Blütenhonig."
"Wir lassen sie in Ruhe und sie uns"
Zigtausende Bienen mitten auf einem Schulgelände? "Ich warte ja nur, bis sich jemand beschwert, warum es da so ungepflegt ausschaut", lacht Pädagoge und Ideengeber Gottfried Klemmer. Schon im Vorjahr hat die Schulgemeinschaft begonnen, Flächen nicht mehr regelmäßig zu mähen. "Ich habe dafür viele Blumen gesät oder gepflanzt. Und siehe da, in den hohen Wiesen tauchen auf einmal wieder viel mehr Insekten auf." Nur die Bienen blieben zunächst aus - so entstand die Idee der Zusammenarbeit mit einem Imker. Angst vor den Stacheln der Tiere braucht übrigens niemand haben, auch wenn der eigens errichtete Zaun freilich mehr dem Schutz der Bienen dient als jenem der Kinder: "Die Schüler lernen hier, dass Bienen nichts Böses sind. Sie tun uns nichts, wenn wir sie in Ruhe lassen", so Klemmer.
Auch Krätschmer ist vom Erfolg des Projektes überzeugt: "Anderswo gehen Imker in Schulen, wir haben die Bienen direkt vor Ort." Die Tiere sollen nun in den unterschiedlichsten Unterrichtsfächern behandelt werden, von Biologie über Physik bis Turnen oder Deutsch. Um die notwendige Stockhygiene kümmert sich Imker Martin Diethart, der gewonnene Honig soll von der Schule vermarktet werden.
Das große Ziel? "Kinder sollen verstehen, wie wichtig Bienen sind - nicht nur wegen des Honigs", erklärt Diethart. "Ohne Bienen gibt es keine Bestäubung. Es gibt Länder wie China, wo teils schon per Hand bestäubt werden muss, weil durch die ganze Chemie nicht mehr genug Insekten leben. Das kostet Milliarden und ist nicht annähernd so effektiv wie Bienen es sind", so der Imker. "Nicht umsonst zählen Bienen zu den wichtigsten Nutztieren der Welt."
"Wir brauchen wieder mehr natürliche Wiesen, die nicht ständig gemäht werden", ist Gottfried Klemmer überzeugt. Am Schulgelände hat man mittlerweile schon mehrere Blumenwiesen angelegt, spezielle Schilder sollen auf den Zweck der "ungepflegten" Areale hinweisen. "Wir haben als Schule einen Bildungsauftrag und müssen schon den Kindern den Umweltschutz nahe bringen", betont Schulleiter Marco Krätschmer. 280 Kinder und Jugendliche von 6 bis 15 Jahren gehen nun täglich an den Bienenstöcken vorbei.
"Boah, Wahnsinn", staunen die Schüler, als der Imker einen der Stöcke öffnet. Sofort fliegen Hunderte Bienen durch die Luft, die Jugendlichen bleiben unbeeindruckt ruhig stehen. An dem hohen Gras stört sich hier keiner - im Gegenteil: "Das ist wichtig, damit die Bienen etwas zu essen haben", erklären die Kinder. Eine Botschaft, die sie mit Sicherheit auch nach außen tragen werden.