Die Aktion hat hohe Wellen geschlagen: Vergangenen Herbst begann die Neumarkter Tischlerei Schneider rund um Junior-Chef Johannes Forstner aktiv mit einer Vier-Tage-Woche um dringend benötigte neue Mitarbeiter zu werben. Nachdem die Kleine Zeitung das Thema aufgegriffen hatte, berichteten zahlreiche weitere Medien vom ORF-Radio bis zum "Profil" über den Vorstoß. Binnen kürzester Zeit meldeten sich circa 50 Interessenten - viele davon ausdrücklich wegen der Arbeitszeitregelung. Drei dieser Bewerber wurden angestellt.
Herr Forstner, das Konzept, vier Tage in der Woche jeweils zehn Stunden zu arbeiten und dafür drei gänzlich arbeitsfreie Tage zu haben, ist an sich nicht gerade bahnbrechend. Trotzdem war das Interesse an Ihrem Angebot groß. Ist es so ungewöhnlich, dass Unternehmen etwas Flexibilität zeigen?
JOHANNES FORSTNER: Im Gewerbe- und Produktionsbereich war die Vier-Tage-Woche vor einem halben Jahr tatsächlich noch eher unüblich. Viele Unternehmer, die ich persönlich kenne, haben auch mir gegenüber Bedenken geäußert und nicht geglaubt, dass das funktionieren wird. Es hat sich in letzter Zeit auf dem Gebiet aber überraschend schnell einiges getan.
Sie haben die freiwillige Vier-Tage-Woche rund um den Jahreswechsel in Ihrem Betrieb eingeführt, mittlerweile wird sie von 4 der 16 Mitarbeiter in Anspruch genommen. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Sehr positiv. Von den vier Mitarbeitern haben wir die Rückmeldung bekommen, dass sie auf das neue System nicht mehr verzichten möchten. Und für das Unternehmen sehen wir keine Nachteile.
Es gab keine negativen Effekte in Hinblick auf Produktivität oder Qualität?
Nein, wir haben keine negativen Veränderungen bei der Arbeitsleistung feststellen können - eher im Gegenteil: Die Stimmung ist besser und die Motivation höher. Außerdem denke ich, dass Mitarbeiter mehr Entgegenkommen zeigen, wenn das umgekehrt auch der Arbeitgeber tut.
Verstärkte Müdigkeit dürfte in der neunten und der zehnten Arbeitsstunde aber doch spürbar werden. Das schlägt sich nicht nieder?
Die Mitarbeiter berichten zwar, dass sie nach einem Zehn-Stunden-Tag teilweise müder sind. Gleichzeitig können sie sich an den drei freien Tagen viel besser erholen. Ein Kollege macht jetzt freitags einen Imkerkurs, ein anderer ist begeisterter Fotograf und hat dafür mehr Zeit. Außerdem ist man bei einer Fünf-Tage-Woche am Freitag ja meistens auch nicht ganz so leistungsfähig wie zum Beispiel am Dienstag.
Nicht in allen Unternehmen lässt sich die Arbeitszeit allerdings so leicht flexibilisieren - etwa in größeren Industriebetrieben. Werden die in der neuen Arbeitswelt zwangsläufig abgehängt?
Flexibilisierung kann ja auch auf anderen Wegen erreicht werden. Größere Unternehmen könnten - aus Kostengründen eventuell auch in Verbünden - Betriebskindergärten einrichten. Oft hilft es außerdem, wenn es eine Kantine gibt: Nach der Arbeit nicht eineinhalb Stunden in der Küche stehen zu müssen, bringt auch viel mehr Flexibilität.
Hage-Chef Florian Hampel hat kürzlich in einer Diskussionsrunde etwas zugespitzt gemeint: Früher habe er nach den Qualifikationen der Bewerber gefragt, heute würden ihn die Bewerber fragen, was das Unternehmen zu bieten hat. Viele Wirtschaftstreibende sehen das als Fehlentwicklung - Sie auch?
Ich sehe das recht neutral. Als Unternehmer bin ich das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gewohnt. Momentan haben wir am Arbeitsmarkt eben eine Entwicklung, die für Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitskräftemangels von Vorteil ist - das ist zu akzeptieren. Wir sind es gewohnt, uns ständig an Kundenwünsche anzupassen. Manchmal muss man sich eben auch an die Wünsche des Personals anpassen. Und wir im Unternehmen haben bislang nicht die Erfahrung gemacht, dass unvertretbare Forderungen gestellt werden. Ungewohnt ist, dass der Lohn oft eher eine Nebenrolle spielt und Freizeit beziehungsweise Familie einen viel höheren Stellenwert haben.
Tatsache ist aber auch: Teils fehlen ganzen Branchen zigtausende Arbeitskräfte. Betriebskantinen und verschobene Arbeitszeiten können dabei wohl maximal ein Teil der Lösung sein.
Das stimmt ganz sicher. Und für dieses weitreichende Problem gibt es auch keine Universallösung. Man muss sich aber auf jeden Fall genauer anschauen, wer darüber entscheidet, was die Kinder nach der Schule machen - sehr oft sind das die Eltern. In meiner Jugendzeit bin ich von den meisten Erwachsenen nur gefragt worden, welche weiterführende Schule ich besuchen werde - und fast nie, ob ich eine Lehre machen möchte. Wenn man gute Noten hatte, war es mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, dass man keine Lehre beginnt - das sollte sich dringend ändern.
Hätten Sie einen konkreten Vorschlag, um diese Situation in der Region Murtal-Murau zu verbessern?
Wir könnten vielleicht eine "Lange Nacht der Betriebe" veranstalten und so verstärkt Eltern in die Betriebe holen und ihnen die Berufsbilder beziehungsweise die Unternehmen vorstellen. Es reicht nicht, nur die Schülerinnen und Schüler im Zuge von berufspraktischen Tagen zu informieren.
Raphael Ofner