Wenn das gewohnte sportliche Training durch Ausgangsbeschränkungen und Schließungen von Sportanlagen nicht mehr möglich ist, müssen sich Trainierende überlegen, wie sie durch alternative Maßnahmen ihren Trainingszustand erhalten können. Auszugehen ist von mehrwöchigen oder gar mehrmonatigen Beschränkungen und Absagen von Sportveranstaltungen. Vor dem Hintergrund einer gesundheitlichen Bedrohung heißt das, dass ich einerseits die Gefahr einer Selbstinfektion durch Vermeidung sozialer Kontakte minimieren muss und andererseits mein eigenes Immunsystem schonen muss, um im Falle einer Infektion genügend Abwehrkräfte zu besitzen.

Das heißt also möglichst zu Hause in den eigenen vier Wänden Bewegungzu machen, bei notwendigen Besorgungen Abstand zu anderen Personen einzuhalten und bei Läufen oder Radfahrten im Freien nicht hinter anderen herzufahren und deren Ausatemluft zu  inhalieren.

Open Window Effect

Besonders beachtenswert ist der "open window effect", das heißt eine mehrstündige Zeitspanne im Anschluss ein Training, in der durch Schwächung des Immunsystems eine Infektion wahrscheinlicher wird. Hier gilt es, sich warmzuhalten, für ausreichende Regeneration zu sorgen, Trainingsunfälle und in der Folge Krankenhausaufenthalte zu vermeiden und durch gesunde, vitaminreiche Ernährung die Basis für ein starkes Immunsystem zu legen.

Zu unterscheiden sind leistungsorientiertes Training für Wettkampfsportler und allgemeine Trainingsempfehlungen für Hobbysportler oder (Wieder)Einsteiger. Erstere sollten sich mit ihrem Trainer individuell absprechen, da können aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen schwer allgemeine Empfehlungen gegeben werden.

Leistungssportler

Im Ausdauerbereich steuern Leistungssportler ihre Trainingsintensitäten nach vorausgegangener Leistungsdiagnostik und Berechnung ihrer individuellen Pulsbereiche über eine Pulsuhr und für kurze, hohe Belastungen am Fahrrad mit Wattmessvorrichtungen. Diese Pulsbereiche sind individuell sehr unterschiedlich, hängen stark vom Trainingszustand ab und lassen sich nicht mit anderen Personen vergleichen.

Grundsätzlich gilt im Ausdauertraining: ke länger die Trainingseinheit, umso niedriger die Intensität. Ein effektives Training sollte oberhalb der sogenannten aeroben Schwelle stattfinden, das ist jene Schwelle, ab der die Muskelzellen stärker gefordert werden, also zusätzlich zur rein aeroben Fettverbrennung auch Kohlehydrate zur Energielieferung herangezogen werden und dadurch vermehrt Sauerstoff verbraucht wird. Wird die Belastung weiter gesteigert, nähert sich der Organismus seiner zweiten, sogenannten anaeroben Schwelle, das ist jene Intensität, die man bestenfalls 30 bis 45 Minuten durchhalten kann und bei noch höherer Belastung übersäuert der Organismus so stark, dass man nach wenigen Minuten abbrechen muss.

Für Hobbysportler und Einsteiger

Sportler ohne Kenntnis der individuellen Schwellen oder der Pulsbereiche können diese Schwellen nur abschätzen. Man spürt die erste, aerobe Schwelle als "sportliche" Intensität, also als zumindest leicht anstrengend und man muss dabei deutlich intensiver Atmen. Sprechen ist dabei aber noch möglich. Ein solches Training an der aeroben Schwelle sollte deutlich länger als eine Stunde dauern, beim Laufen gewöhnlich 1-2 Stunden, am Fahrrad deutlich länger. Theoretisch wäre diese Intensität ungefähr 8 Stunden durchzuhalten.

Zeitsparender ist ein intensiveres Training, das man nicht nur nach der Dauermethode, sondern auch in Form eines Intervalltrainings machen kann. Dabei wechseln sehr hohe Intensitäten und Erholungen im Sekunden- oder Minutenbereich einander ab.

Wem zu Hause kein Ergometer, Crosstrainer oder gar Rudermaschine zur Verfügung stehen, kann sich auch mit einer Kombination gymnastischer Übungen in Form eines Zirkeltrainings behelfen. Fast alle Übungen kann man auch in vereinfachter Form durchführen, um auf eine ausreichende Wiederholungszahl zu kommen. Zum Beispiel Liegestütze auf den Knien, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt (Daheim trainieren- So bleiben Sie zu Hause fit). Als Gewichte eignen sich wassergefüllte Flaschen oder gleich die ganze Bierkiste. Solche Zirkeltrainings fordern den Kreislauf ebenso wie Ausdauertrainings in der gewohnten Sportart und sorgen überdies für die erforderliche Rumpfstabilität.

Krafttraining

Kraftübungen mit hohen Widerständen beziehungsweise Gewichten werden in Form mehrerer Sets hintereinander durchgeführt, man wählt für ein Training Übungen für verschiedene Muskelgruppen aus, die man von Training zu Training unterschiedlich kombiniert. Die Gewichte müssen auf die Wiederholungszahl der einzelnen Übungen abgestimmt sein, man unterscheidet schnelle Übungen mit leichten Gewichten und hoher Wiederholungszahl von langsam durchgeführten Übungen mit hohen Gewichten bis zur (sub)maximalen Erschöpfung.

Hier finden Sie Trainingstipps von Kleine-Zeitung-Coach Bernd Marl!

Auch auf das Dehnen sollte nicht vergessen werden, hier gibt es auch mehrere Methoden, aber die Hauptsache ist wohl, dass es überhaupt durchgeführt wird. Nach kurzem Aufwärmen dehnt man die Muskelgruppen statisch und spürt dabei einen langsam nachlassenden Widerstand, deshalb sollte das Dehnen auch etwas länger dauern, so 1 – 2 Minuten pro Übung.

Ganz allgemein ist es aufgrund der derzeit unsicheren Lage wohl am klügsten, sein gewohntes Training etwas herunterzufahren und nach der Krise wieder langsam zu steigern, die üblichen Saisonhöhepunkte wird es heuer wohl nicht geben. Sollte man trotz aller Vorsichtsmaßnahmen erkranken, darf auf keinen Fall weitertrainiert werden, auch wenn es nur ein leichter Krankheitsverlauf ist. Das Risiko einer Komplikation wie Lungenentzündung oder Herzmuskelentzündung und dergleichen ist nun noch höher als gewöhnlich und die Versorgungsmöglichkeiten in den Krankenhäusern sind eingeschränkt.

Ich wünsche alle Sportlern, die Krise gesund zu überstehen und anschließend wieder gut durchzustarten!

Dr. Werner Gröschl
Dr. Werner Gröschl © KK

Dr. Werner Gröschl ist Sportmediziner bei der Sport Union Steiermark