Es ist nicht das erste Mal, dass sich Dieter Gall aus Judenburg öffentlich zu Wort meldet, nachdem in seinem Betrieb Aufnahmetests für Lehrlinge durchgeführt worden sind. Schon 2021 kritisierte er Mängel in der Pflichtschulausbildung. Damals stellte er der Kleinen Zeitung anonymisiert drei Lehrlingstests zur Verfügung. Da scheiterten junge Menschen mit Pflichtschulabschluss daran, Rechnungen wie 4 mal 9 zu bewältigen oder 20 Prozent von 150 auszurechnen. Es wurde Prag als Hauptstadt von Oberösterreich genannt und Luxemburg als Bundesland von Österreich. Als Gefrierpunkt von Wasser gab ein Bewerber minus 15 Grad an.
„Weiße Flecken im Wissen“
Nun hat der Pharmaunternehmer (“Gall-Pharma“) und Betreiber von Apotheken und weiterer Firmen ein Mail an die steirische Bildungsdirektion gerichtet. Anlass ist das Ergebnis eines Lehrlings-Aufnahmetests einer Bewerberin. Sie hat eine Mittelschule im Bezirk Murau mit Bravour bewältigt und in ihrem Abschlusszeugnis nur Einser stehen. Gall hat den Aufnahmetest an die Bildungsdirektion und die Direktion der betreffenden Mittelschule übermittelt. Es seien trotz des Top-Zeugnisses „etliche grundsätzliche weiße Flecken im Wissen zutage getreten“ , wie er sich ausdrückt. Einige Fragen sind tadellos und in gut lesbarer Handschrift beantwortet, einige gar nicht oder falsch (siehe Infobox ganz unten).
Der obersteirische Unternehmer macht dem Mädchen keinen Vorwurf, dem er die Zusage für eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentin gegeben hat. Aber er ortet den Fehler im System: „Dieses Ergebnis zeigt uns einmal mehr, wie an wichtiger Schulbildung vorbei unterrichtet wird“, so Gall.
Wissensvermittlung
Man müsse als Betrieb neben der fachlichen Lehrlingsausbildung „auch die Aufgabe der grundlegenden Wissensvermittlung“ übernehmen, ortet er „dringenden Handlungsbedarf“. Denn: „Wie sollen heutige Jugendliche zukünftig verantwortungsvoll arbeiten können, wenn ihnen das simpelste Wissen fehlt und sie nicht einmal in der Lage sind, die Richtigkeit von Informationen, die zum Beispiel KI-generiert wurden, zu überprüfen?“
Antwort der Bildungsregion
Dieter Gall hat inzwischen eine Antwort von Roman Scheuerer erhalten, er ist Leiter der Bildungsregion Obersteiermark West. Er stimme zu, dass die Ergebnisse des Lehrlingstests nicht den Erwartungen entsprechen, die man von Mittelschul-Abgängern mit alles Sehr Gut habe, schreibt Scheuerer. Und ergänzt: „Trotzdem sollte man das Abschlusszeugnis einer 4. MS, das ja die Leistungen über vier Jahre zusammenfasst, nicht mit einem ich nehme an unangekündigten und ohne Vorbereitung zu schreibenden ,Lehrlingstest` vergleichen, wo die Tagesverfassung doch eine große Rolle spielt“. Der Bildungsregion-Leiter hebt auch die positiven Leistungen der Schülerin im Test wie einen fehlerlosen Englischdialog hervor. Und er merkt an, dass eine richtige Antwort des Mädchens im Grammatikteil als falsch markiert worden sei.
„Den Schulen ist es selbst ein großes Anliegen, in Zeiten der Reizüberflutung die Schülerinnen und Schüler für das nachhaltige Lernen zu motivieren“, schreibt Roman Scheuerer. Rechtzeitig für Prüfungen zu lernen, ständig zu wiederholen würden dazugehören, das unterstütze man mit speziellen Projekten.