10 Uhr vormittags? Höchste Zeit für das erste Bier des Tages - „tun wir so, als ob es das erste wäre“, lacht Bernhard aus Wiener Neustadt. Gemeinsam mit seinen Freunden campt er seit Mittwoch vor den Toren der Rennstrecke. Was es für die perfekte MotoGP-Party braucht? „Bier, dann nochmal Bier, falls es ausgeht. Und im Nachhinein betrachtet Sonnencreme, aber das hab‘ ich zu spät gemerkt“, zeigt er auf seinen knallroten Rücken. In Sachen Sonnenbrand kann ihn nur einer toppen. Wie er heißt, weiß zwar niemand (es kursieren unterschiedliche Versionen), aber kennen tut ihn auf diesem Campingplatz jeder. Ein junger Mann fährt mit seinem Freund auf einem Rasentraktor (!) Runde um Runde um Runde. „Der ist seit gestern unterwegs, zehn Stunden lang fährt der da am Stück. Der Rasentraktor war komplett neu“, lacht Zelt-Nachbar Andi aus der Südoststeiermark. Das gute Stück dürfte bei dieser Dauerbelastung bald am Ende seiner Lebenszeit angekommen sein, schon jetzt ist der Traktor großzügig mit Isolierband umwickelt. Warum er denn hier im Kreis fährt, wollen wir von dem Traktor-Piloten wissen. „Um des Fahrens Willen! Keine Zeit jetzt, ich muss weiter“, winkt er und dreht seine nächste Runde.
Party und Wahnsinn liegen hier in der glühenden Hitze Spielbergs nah beieinander. Auch am Samstag wartet perfektes Sommerwetter auf die Fans, Abkühlung gibt es höchstens in der Nacht. Außer man hat vorgesorgt, und einen Pool mitgebracht – oder sich selbst einen gebaut. „Wir sind Handwerker, wir haben immer Holz mit“, zeigen Philipp, Ju, Bernhard, Manfred, Check und Manuel aus Amstetten stolz ihre auffällige Konstruktion. Ein wenig Bauholz, eine große Plane, und fertig ist der Pool. Einen solchen haben einige Zelte weiter bayrische Fans nicht mit, dafür ein komplettes Wohnzimmer mit Teppich und Couch. Ein Teil von ihnen verschwindet beim Anblick unserer Kamera sogleich hinter das Zelt: „Wir sind offiziell im Krankenstand!“ Die Freunde Rosi und Schmiedl zeigen indes das wichtigste Utensil ihres Wohnraums: „Der Couchtisch ist höhenverstellbar. Ergonomie!“
Ein Video vom Campingplatz
Kreativ tätig wurde eine Gruppe aus Braunau. 20 Freunde sind zur MotoGP angereist, sie haben ein ehemaliges Feuerwehr-Auto umgebaut. Auf einer großen Terrasse am Dach genießen sie die Aussicht, die selbst gebaute Stiege reiste am Dach ins Murtal. Und sonst? „Natürlich haben wir auch ein Boot mit dabei, was man halt so braucht.“ Tatsächlich steht im Garten der Gruppe ein Boot, ausgelegt mit einer Plane, umfunktioniert zum Pool. Kein Boot, aber einen aufblasbaren Pool haben auch einige Freunde aus Vöcklabruck mitgebracht. Die Flüssigkeit darin ist, höflich ausgedrückt, undefinierbar. „Wasser ist auch dabei“, lacht einer. „Und sonst aber so ziemlich... alles.“ Eine Abkühlung der eher unappetitlichen Art, aber immerhin, eine Abkühlung. So herrlich frisch, dass einer der Herren sogleich mit Schlapfen und Socken reinsteigt.
Der Lärmpegel ist auf dem Campingplatz jedenfalls schon am frühen Vormittag erstaunlich. Aus zahlreichen Boxen schallt Musik, von „System Of A Down“ bis zu Helene Fischer, Deutschrap und Volksmusik ist alles zu hören. Zeitgleich, versteht sich. Wirklich auffallen kann man da nur mehr mit den Burnouts, die bei der MotoGP zum Standardprogramm gehören. Bei diesem Manöver wird das Motorrad auf der Stelle gehalten, der Hinterreifen dreht – lautstark und unter entsprechender Rauchentwicklung – am Boden durch. Allein für diese Burnouts haben die Steirer Patrick, Lukas, Florian, Jakob, Stefan und Andi eine KTM-Maschine um 1000 Euro gekauft. Warum? „Eine gute Frage“, lachen sie, „es gehört irgendwie dazu.“
Zwischen Mini-Bikes (“Das gehört meinem Sohn“), frisierten Mopeds, einem alten Skidoo und noch vielen weiteren Rasentraktoren ist an diesem Spielberg-Wochenende so gut wie jedes denkbare Gefährt im Campingplatz-Einsatz. „Spielberg ist einfach legendär für seine Partys“, meint auch Marcel aus Graz. Bislang hat er es noch nicht zur Strecke geschafft, aber das Rennen am Sonntag will er live sehen. Wer gewinnt? „Das ist ganz egal.“ Freund Timo, ein MotoGP-Fan, gibt ihm recht. „Das ist für mich das Tolle am Motorsport. Wir sind alle Fans des Sportes. Beim Fußball geht‘s nur um diesen Klub oder jene Mannschaft. Hier sind wir alle eine große Familie, nämlich die MotoGP-Spielberg-Familie!“