„Melde 172 Zentimeter hoch, 63 Kilo, topmotiviert, angetreten zum Projekt Volkskanzler.“ Im Steirerjanker, mit weißem Hemd und Jeans betritt Herbert Kickl die Bühne in Knittelfeld. Wenige Meter entfernt von jenem Rathaus, in dem ein roter Bürgermeister mit absoluter Mehrheit regiert. Und wenige Hundert Meter entfernt von jenem Kulturhaus, in dem es die FPÖ bei einem Parteitag im Jahr 2002 buchstäblich zerrissen hat. Knittelfeld galt über viele Jahre als Synonym für parteiinterne Querelen und wurde erst 2019 von Ibiza abgelöst.
Wetterglück
Von Querelen ist an diesem Sonntagvormittag keine Spur. FPÖ-Lokalmatador Wolfgang Zanger schätzt rund 1000 Besucher, die Polizei 700. Die Stimmung ist blau, der Himmel wird es an diesem Vormittag nicht mehr, aber immerhin hält das Wetter bis zum Ende des dreistündigen FPÖ-Events.
Hier der Beginn der knapp einstündigen Wahlkampfrede von Herbert Kickl im Video:
Während der steirische Landesparteichef Mario Kunasek und Generalsekretär Michael Schnedlitz als Vorredner auf Kickl einstimmen, bekommt der anwesende steirische EU-Spitzenkandidat Georg Mayer keine Bühne.
Messerwetzen
Am anderen Ende der Menschenmenge werden indes die Messer gewetzt. Aber nicht in bösartiger Absicht, die Alarmstimmung ausgelöst hätte bei den sechs uniformierten Polizisten, etlichen Verfassungsschützern und Leibwächtern. Vielmehr hat die FPÖ selbst dazu eingeladen, Messer und Scheren mitzubringen, die Bernhard Gasteiger aus Feldkirchen hier gratis schleift. „Pensionistenstress“, schmunzelt er, weil es einer älteren Dame nicht schnell genug geht. An die 70 Messer macht Gasteiger bis Mittag scharf.
Mit bebender Stimme
Werner Molling aus Zeltweg wickelt gerade seine mitgebrachten Messer aus dem Zeitungspapier. Mit bebender Stimme erzählt er dabei seine Geschichte: „Ich habe immer schwer gearbeitet, als Bus- und Lkw-Fahrer und am Bau. Ich bin zu 50 Prozent behindert und arbeitsunfähig. Obwohl alles belegt ist, lässt man mich nicht in Pension.“ Der 58-Jährige hofft, dass es unter einem Kanzler Kickl besser wird.
Darauf hofft ein Großteil des Publikums, das vielfach rot-weiß-rote und weiß-grüne Flaggen schwenkt. Nur ein junger Mann mit blonden Haaren schwenkt etwas anderes. Ungefähr 20 Meter von der Bühne entfernt, am Rand der Versammlung, hält er während Kickls fast einstündiger Rede eine kleine Tafel aus Pappkarton in die Höhe: „Kickler ist da“, ist über einer Darstellung Kickls in Uniform zu lesen. Angepöbelt worden sei er deshalb nicht: „Das liegt glaub’ ich an den Herrschaften hier“, nickt er in Richtung zweier Polizisten und Sicherheitsleute in seiner Nähe. Er wolle stillen Protest üben, gehöre keiner Partei an, so der Knittelfelder.
„Wie ein Familienvater“
Uneingeschränkt auf der blauen Seite sind hingegen Christian Rattinger (26) aus Spielberg und seine Lebensgefährtin Isabella Reisinger (31). Sie sind mit ihrer einjährigen Tochter Lisa-Isabella gekommen. „Wir wählen FPÖ, weil wir uns eine sichere Zukunft für unsere Familie erwarten“, so die beiden.
Diese verspricht Herbert Kickl auf der Bühne. Als Kanzler wolle er wie ein „Familienvater sein, der darauf schaut, dass aus den Kindern etwas wird“. Von Asyl über Corona bis „EU-Wahnsinn“ spielt er bekannte FPÖ-Themen durch, erntet oft Zwischenapplaus. Am Ende tönt die Parteihymne „Immer wieder Österreich“ aus den Lautsprechern. Kickl, Kunasek, Schnedlitz und Zanger schwenken Österreich-Flaggen, ehe sich eine beachtlich lange Schlange für Fotos mit den FPÖ-Granden anstellt.