„Das flehende Vertrauen“ – so heißt jene Grundsatzerklärung, die die vatikanische Glaubensbehörde nun, kurz vor Weihnachten, veröffentlicht hat. Und zwar mit Einverständnis von Papst Franziskus. Die wichtigste Botschaft: Homosexuelle Paare dürfen einen kirchlichen Segen erhalten.
Zur Erinnerung: Im Februar 2021 kam dazu aus Rom noch ein dezidiertes Nein. Die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Gerade im deutschsprachigen Raum sorgte das Dekret jedoch bei vielen für Kopfschütteln. Und auch die Anfragen dazu rissen nicht ab. Viele Beratungen später veröffentlichte nun der Vatikan ein Grundsatzpapier, das das strikte Nein zurücknimmt – und begründet: „Wer einen Segen erbittet, zeigt, dass er der heilbringenden Gegenwart Gottes in seiner Geschichte bedarf.“ In „Fiducia supplicans“ (so der lateinische Originaltitel) wird ebenso das Umfeld abgesteckt, in dem so eine Segnung künftig stattfinden darf bzw. nicht darf: Sie muss von einem Priester vollzogen werden, allerdings nicht im Gottesdienst; auch darf sie nicht ähnlich einer Eheschließung oder einem normierten Ritual sein.
Reaktionen aus der Katholischen Kirche Österreich
Lehre der Kirche bleibt aufrecht
Erarbeitet hat das Papier die dafür zuständige Glaubensbehörde, die Hüterin der katholischen Glaubenslehre. Unterzeichnet ist es von ihrem neuen Leiter, Kardinal Victor Fernandez, der darin an mehreren Stellen auf Papst Franziskus verweist: Die Kirche habe ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Lichte der seelsorglichen Ideale des Papstes „erweitert und angereichert“. Zugleich wird im Text aber auch klargestellt, dass damit weder der Status des homosexuellen Paares offiziell bestätigt noch die Lehre der Kirche über die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau geändert wird. Das Sakrament der Ehe steht damit auch künftig ausschließlich heterosexuellen Paaren offen.
Zwischen Lehre und seelsorglicher Praxis
Das Dikasterium für Glaubenslehre gilt als zentrale Vatikanbehörde, ihre Leiter als Schwergewichte innerhalb der katholischen Kirche. Unter ihnen fanden sich zuletzt etwa Joseph Ratzinger, enger Vertrauter von Papst Johannes Paul II. und später als Papst Benedikt XVI. sein Nachfolger. Kardinal Gerhard Müller führte sie dann nur wenige Jahre – Grund: zuerst ein verborgenes, später ein offenes Zerwürfnis mit Papst Franziskus (über das Verhältnis von Glaubenslehre und Seelsorge). Der nunmehrige Leiter, Kardinal Fernandez, ist seit Herbst dieses Jahres im Amt. Er stammt, gleich wie das Oberhaupt der katholischen Kirche, aus Argentinien, gilt als dessen Vertrauter und als einer, der in der Frage nach der Wertigkeit von Seelsorge in der Kirche von heute mit Franziskus übereinstimmt.
Zeitpunkt überrascht
Franziskus‘ Standpunkt zu dem Thema ist schon länger bekannt: Schon bald nach seiner Wahl sagte er über homosexuelle Menschen: „Wer bin ich, dass ich darüber urteilen kann?“. Und vor Kurzem formulierte der Papst: Wer um einen Segen bittet, erbittet im Vertrauen auf Gott dessen Hilfe, um besser leben zu können. Nun ließ er sein gesprochenes Wort in schriftliches Wort gießen – zum Erstaunen vieler in der Weltkirche.