Das Wochenende sollte anders verlaufen. Harald Kraudinger ist an diesem Samstag mit seiner Frau zum Einkaufen in Graz, Wolfgang Hubmann will gerade mit fast 50 Kollegen von der Energie Steiermark in einen Bus einsteigen und zum Falco-Musical nach Wien fahren. Fast ein Glück, dass der Strommast schon um zirka 13 Uhr einknickt: „Zwei Stunden später wären wir alle in Wien gewesen, dann wäre alles noch schwieriger geworden.“ Die Schwierigkeiten sind auch so groß genug für Wolfgang Hubmann (57), Knittelfelder Außenstellenleiter bei der Energie Steiermark. Und für den Brucker Harald Kraudinger (55), als Betriebsleiter für die Energieversorgung in der ganzen Obersteiermark verantwortlich.
Rasch vermuten sie die Ursache für den großflächigen Stromausfall im Raum Murtal-Murau. Ein Mast der 110-kV-Leitung muss eingeknickt sein, aber wo? Es dauert Stunden im dichten Schneetreiben und ohne Internetverbindung, bis der Mast in extrem ungünstiger Lage zwischen dem Judenburger Feeberggraben und Weißkirchen aufgespürt ist. Während sich Hubmann an den Schadensort begibt, bezieht Kraudinger die Energie-Steiermark-Warte in Knittelfeld, hält Kontakt zu Behörden und der Zentrale in Graz. Er ist es auch, der die aus der Ober-, Süd- und Oststeiermark herbeigeeilten Monteure auf den Einsatz vorbereitet und entsendet. „Da jammert kein einziger über einen Einsatz bei Schnee und Eiseskälte am Wochenende. Wenn 20.000 Haushalte ohne Strom sind, gehen alle mit unglaublicher Motivation zur Sache“, so Kraudinger.
Wie das Problem zu lösen ist, wissen die Techniker sofort – ein Ersatzmast muss her. Einer lagert in Wolfsberg, dorthin schicken sie einen Tieflader. Währenddessen entsteht eine Zufahrt für schweres Gerät. „Mitarbeiter eines Schlägerungsunternehmens haben den Weg freigemacht, die Äste haben rundherum gekracht, da war extreme Vorsicht geboten.“ Schließlich rücken zwei Tieflader, ein 25-Tonnen-Bagger, ein „Spinnenbagger“, ein Unimog und zwei Lkw an. Es hat einiges unter minus zehn Grad, der kalte Wind bläst ins Gesicht. Der Bagger beginnt, für den Ersatzmast ein Plateau in einen steilen Hang zu graben. Zuvor wird geschlägert, nach wenigen Stunden ist eine rund 1000 Quadratmeter große Fläche geschaffen. Feuerwehrleute sorgen für das notwendige Licht, deren Aggregate wärmen das Wasser für den Tee.
„Sonst friert die Leberkässemmel ein“
Monteure spannen die Seile der beschädigten Leitung, damit nicht weitere Masten umfallen. Sonntagfrüh um 4.30 Uhr verordnet Wolfgang Hubmann sich und seiner Mannschaft die erste Pause: „Gleich essen, sonst friert die Leberkässemmel ein“, lautet das Motto. Um 5 Uhr geht es weiter: Es gilt, den herbeigeschafften, zerlegten Ersatzmast zusammenzuschrauben. Harald Kraudinger berichtet den Behörden, dass es gut aussieht, der Strom bis Sonntagabend kommen könnte – großes Aufatmen. Waghalsige Monteure turnen auf dem kaputten und dem nun schon aufgebauten neuen Mast. Sie verbinden, was verbunden gehört.
Sonntag um 16.30 Uhr dann der Moment der Momente. In der Grazer Zentrale macht ein Kollege einen Mausklick. Der Strom fließt. „Es hat leicht geknistert, da waren alle kurz still“, erinnert sich Hubmann. Zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, ob es irgendwo zwischen Judenburg und Murau weitere Leitungsschäden gibt. Gibt es nicht: „Ganz ehrlich? Dass es so glattgeht, haben wir selber nicht erwartet“, gesteht Kraudinger. Es ist vollbracht, in Murtal und Murau gibt es nach fast 28 Stunden wieder Licht und Wärme. Wolfgang Hubmann: „Ich habe mich daheim auf einen Schnapstee und ein Essen gefreut, bin aber am Tisch sitzend eingeschlafen.“