Sehet, die erste Kerze brennt. Klingt romantisch, empfindet an diesem ersten Adventsonntag aber kaum jemand so. Zumindest dort, wo es seit Stunden keinen Strom gibt. In vielen Haushalten sind die Kerzen am Adventkranz die einzige Wärmequelle. „Es war so kalt, ich hab‘ alle vier angezündet und es hat geholfen“, sagt eine junge Dame, die dennoch vergnügt wirkt. Vergnügter als Luis Rodrigues, den wir an diesem Vormittag auf dem Hauptplatz von Judenburg treffen: „Wann kommt der Strom wieder?“, fragt der Wirt der Pizzeria Pomodoro e Basilico. Als er die Antwort hört, dass es eine weitere Nacht dauern könnte, seufzt er: „Katastrophe.“ Das Wochenend-Geschäft weg, die Sachen in den Kühlgeräten aufgegangen, und was ihn am meisten plagt: „Meine Tochter Jasmin ist am 13. November zur Welt gekommen, wir haben sie über Nacht dick eingepackt, damit sie nicht friert.“
Da ist Mariella Payer besser dran. Sie spaziert mit Hündchen Aria über den Hauptplatz: „Mir war nicht kalt, ich habe nach langer Zeit den Holzofen aktiviert.“ Jetzt ist die Kirche aus, die Gläubigen plaudern vor der Tür. „Das ist keine Überraschung, es wird seit langer Zeit vor Blackouts gewarnt“, sagt eine Dame mittleren Alters, die ihren Namen nicht nennen will. „Eine kleine Strafe Gottes“ sei das Frieren für alle, die nicht vorgesorgt haben.
Auch die verwandten Familien Schwarz und Weiß aus St. Johann am Tauern kommen aus der Judenburger Pfarrkirche. „Wir hatten um Mitternacht wieder Strom, dazu einen Holzofen“, sagt Wolfgang Schwarz. „Also kein Problem, nur für die Jugend war’s schwieriger, kein WLAN, kein Handyempfang“, deutet er schmunzelnd auf seine Tochter Selina, die abwiegelt: „So schlimm war’s nicht.“ Sie sind hier, weil in der Familie Goldene Hochzeit gefeiert wird: Adolf und Sieglinde Weiß sind die Jubilare. Im ursprünglich gewählten Gasthaus ist die Küche kalt, man weicht ins stromversorgte Zeltweg aus.
Das Ehepaar Elfriede und Ewald Müller empfiehlt: „Einen Gaskocher und Kerzen in Massen sollte jeder daheim haben.“ Insgesamt ist man sich hier vor der Kirche einig: Das kleine Blackout ist erträglich und nichts gegen die Entbehrungen, die Menschen etwa in Kriegsgebieten erleiden.
In einer Gasse treffen wir Gernot Maurer beim Schneeschaufeln vor seinem Haus. Der Primarius vom UKH Kalwang ist Bezirksstellenleiter des Roten Kreuzes. „Wir hatten am Abend einen Einsatz beim Bahnhof, weil rund 200 Fahrgäste im Zug festgesteckt sind“, schildert er. Ein Rotkreuz-Team hat Decken gebracht, dazu im mit Notstrom versorgten LKH Judenburg gewärmten Tee. „Und meine Frau Barbara hat den Vinzimarkt aufgesperrt und Lebensmittel gebracht. Wenn man zusammenhält, geht vieles“, schmunzelt Maurer.
Sein Kollege, Bezirksrettungskommandant Peter Hackl, sitzt mit Mitarbeitern in der Einsatzzentrale und erzählt von Auswirkungen, an die in normalen Zeiten kaum jemand denkt: „Es waren Pflegeheime ohne Strom, und das Telefonnetz ist ausgefallen. Unsere Leute sind zwölf Heime am Abend, rund um Mitternacht und in der Früh abgefahren, um nach dem Rechten zu sehen.“ Es sei zum Glück alles glimpflich verlaufen.
Feuerwehr-Bereichskommandant Harald Schaden zieht im städtischen Rüsthaus mit Stadtfeuerwehr-Kommandant Armin Eder erste Bilanz: Versorgung von Pumpwerken mit Notstrom, um die Wasserversorgung zu gewährleisten; Notstrom für die Melkanlagen von Bauern; Entfernung von auf Straßen gestürzten Bäumen. „Und wir haben so manches Pflegeheim mit Strom versorgen müssen“, sagt Schaden. Dass viele Pflegeheime keine Notstromversorgung haben, ärgert ihn: „Das sollte Standard sein.“
Judenburgs Bürgermeisterin Elke Florian hat gerade Lagebesprechung im ausgekühlten Stadtamt. Beim Einsatz am Bahnhof war sie selbst dabei, auf den Einsatz ihrer Bauhofmitarbeiter ist sie stolz, und sie habe die Kraft der Einsatzorganisationen gespürt: „Ob Rettung, Feuerwehr oder Polizei, sie sind Weltklasse.“