Aggressive Krähen spielen im Werk "Die Vögel" des britischen Filmemachers Alfred Hitchcock eine Hauptrolle, in einem Kapfenberger Ortsteil wird dieses Szenario nun zur Realität. Dort trauen sich die Bewohner teilweise nur noch mit Helm oder Kappe aus dem Haus, bewaffnet mitunter mit Besen oder Schneeschaufel.
Seit 30. März sorgt eine Krähe am Ramsauer Plateau östlich des Gymnasiums für ein Klima der Angst und hat unzählige Attacken auf die Anrainer, Briefträger oder Passanten verübt. Mehr als 20 Verletzungen sind dokumentiert, dabei hat es die Krähe mit ihrem Schnabel auf die Köpfe abgesehen. "Die Krähe wird immer aggressiver und mobiler", sagen die Anrainer.
Offenbar wurde das Tier durch Anfüttern an die Menschen gewöhnt, davon geht auch Vogelkundler Andreas Tiefenbach aus: "Es scheint sich hier um eine Fehlprägung zu handeln." Wird der Vogel von einem Menschen aufgezogen, entwickelt er im Zuge der Geschlechtsreife ein Revierverhalten, das sich eben nicht nur gegen Artgenossen richtet, sondern auch gegen Menschen.
Kinder und Senioren gefährdet
Die Lebensqualität leidet massiv unter dem ungebetenen Gast, der sich leise anpirscht und von hinten zuschlägt. Häufig, so die Anrainer, gehen sie nur noch zu zweit außer Haus, um sich verteidigen zu können. Mit 80 Zentimetern Spannweite und einer Schnabellänge von sechs Zentimetern sei die Krähe keinesfalls zu unterschätzen. Hinzu kommt der Umstand, dass besagter Ortsteil nicht nur als Schulweg dient, sondern sich auch die Kinderkrippe in unmittelbarer Nähe befindet. "Außerdem haben wir einen Nachbarn, dem ein Teil seiner Schädeldecke fehlt. Das ist lebensgefährlich", sagt ein Anrainer.
Bereits vor drei Jahren hat eine Krähe erstmals ihr Quartier am Ramsauer Plateau bezogen. Als endlich eine Falle aufgetrieben werden konnte, war der Vogel aber verschwunden. Bis zum 30. März des heurigen Jahres. "Es kann durchaus sein, dass es sich um dieselbe Krähe handelt, schließlich werden die bis zu zehn Jahre alt", sagt Tiefenbach.
Rechtlich nicht einfach
Seitdem versuchen die Bewohner alles, um die Krähe loszuwerden. Bislang vergebens: "Wir werden von den Behörden nur im Kreis herumgeschickt." Die Krähe auf illegale Weise zu beseitigen, lehnen die Anrainer aber ab: "Wir wollen nicht, dass dadurch jemand seinen Jagdschein verliert. Und wenn wir mit Gift arbeiten, trifft es die falschen Vögel." Umso mehr sei nun die Behörde am Zug.
Mit dem Fall betraut ist auch Bezirkshauptmann Bernhard Preiner. Er weiß um die schwierige Rechtslage, weil dieses Tier einen Schutz genießt und die "letale Vergrämung" – sprich der Abschluss – nicht möglich ist. "Wir arbeiten mit den zuständigen Stellen an einer Lösung im Sinne der Anrainer", sagt Preiner. Das alleinige Fangen des Tieres dürfte zu wenig sein, "schließlich hat das Tier Flügel und dürfte zurückkehren". Deshalb wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die Krähe gefangen und eingesperrt wird.
Alternativ kann, wie es seitens des Landes heißt, der Bezirksjägermeister den Einsatz von Laserpointern festlegen. Abseits der Wohngebiete, so Landesrat Hans Seitinger, spielt die Krähe aber auch in der Landwirtschaft eine wesentliche Rolle: "Eine zu starke Krähenpopulation führt zu ernsthaften Schäden in der Landwirtschaft und in der Natur." Um ernsthafte Schäden für die regionale Lebensmittelversorgung durch eine Überpopulation von Krähen zu verhindern, erlaubt die Krähenverordnung eine eingeschränkte Bejagung – die aber eben nicht auf Wohngebiete umzulegen ist.
Marco Mitterböck