Als im Jahr 1994 die Stadt Kapfenberg das frühere Böhler-Forschungsgebäude kaufte und zur Fachhochschule umbaute, gab es auch Kritik. Immerhin kosteten Kauf und Umbau 100 Millionen Schilling. Diese umgerechnet sieben Millionen Euro muten heute wenig an, aber die Stadt verpflichtete sich auch, das Gebäude zu erhalten und, falls erforderlich, auszubauen.

Im Herbst 1995 ging’s mit 80 Studierenden in zwei Studienzweigen und zehn Lehrpersonen los. Im Jahr 2010, also 15 Jahre nach der Eröffnung, tummelten sich schon mehr als 700 Studentinnen und Studenten auf dem FH-Campus. Das ursprüngliche Ziel von 500 Studierenden hatte man schon weit überschritten. Die Kritik, dass Kapfenberg die Infrastruktur für diesen ganzen Komplex trägt, war noch immer nicht verstummt.

Und heute? „Im Herbst 2023 hatte die FH Joanneum insgesamt 6000 Studierende, davon 970 in Kapfenberg“, sagt Martin Tschandl, seit 2001 Chef des großen Studienzweigs „Industriewirtschaft“ und allein dadurch schon ein Kenner des Standorts. 40 Prozent kommen aus der Region, 40 Prozent aus dem Großraum Graz, die Übrigen aus ganz Österreich und dem Ausland.

Ohne die Stadt gäbe es keine FH

Dass die Stadt Kapfenberg die Fachhochschule vor fast 30 Jahren erbaute und seitdem den Betrieb des Hauses finanziert, sieht Tschandl differenziert: „Es ist logisch, dass es immer ein Tauziehen um die Aufteilung der Kosten gibt, aber wenn damals nicht beherzte Politiker in vielen österreichischen Städten viel Geld in die Hand genommen hätten, gäbe es außerhalb der Landeshauptstädte keine Fachhochschulen, auch nicht in Kapfenberg.“

Dass die FH ein Gewinn für die Stadt ist, liegt für Tschandl auf der Hand. 2010 wurde in einer Studie erhoben, dass die FH Joanneum und ihre Studierenden jährlich drei Millionen Euro in Umlauf bringen, heute ist dies entsprechend mehr. Aber es gibt dabei auch andere Aspekte, so Tschandl: „Jede Stadt, die eine Fachhochschule hat, profitiert davon!“ Es kommen Studierende und Lehrende von auswärts, junge Menschen aus der Region bleiben hier, was die Abwanderung vermindert, „und die Wirtschaft hat quasi vor der Haustür eine Kaderschmiede für das Management und die angewandte Forschung“. Außerdem ist es für Firmen, die sich ansiedeln wollen, häufig ein Kriterium.

Die FH Joanneum hat derzeit 970 Studierende, 40 Prozent kommen aus der Region
Die FH Joanneum hat derzeit 970 Studierende, 40 Prozent kommen aus der Region © Franz Pototschnig

Aber ein Standort in der „Provinz“ hat für junge Menschen nicht jene Attraktivität wie etwa Wien oder Graz. Deshalb muss man den Studierenden etwas bieten: „Entweder wir machen den Abschluss so billig wie möglich oder die Ausbildung so gut wie möglich. Wir haben uns für Letzteres entschieden, und die Qualität unserer Lehre wird vielfach anerkannt, auch international“, sagt Tschandl.

Die FH Joanneum baut schon demnächst eine Fachhochschule für Pflegewissenschaften in der Kapfenberger Innenstadt. Blickt man von der „alten FH“ neidisch dorthin? „Keineswegs“, sagt Tschandl, „wir sind hier mitten in der Industrie und ganz nahe an der S 6-Abfahrt, beides sind Riesenvorteile. Aber ein innerstädtischer Standort hat natürlich auch Vorteile, etwa für die Belebung der Stadt und der Wirtschaft.“

Auch die Dampfmaschine wurde abgelöst

Die Industrie hat derzeit Probleme, Tschandl ist trotzdem überzeugt, dass technische Studien immer Zukunft haben: „So wie die Dampfmaschine von besseren Technologien abgelöst wurde, gibt es ständig technische Neuerungen. Aber eine technische Ausbildung bietet immer eine Vielfalt an Perspektiven.“