Kennenlernen, Hemmungsabbau und Teamgeist - diese Leitwörter standen zu Beginn der Konferenz des Europäischen Jugendparlaments in Graz im Vordergrund. Auf die friedliebenden Besucher des Schlossparks Eggenberg mögen die etwa 130 Jugendlichen aus rund 20 verschiedenen Ländern, die sich vergangenen Donnerstag dort einfanden, äußerst befremdlich gewirkt haben. Kichernd warfen die Versammelten Luftballone in die Luft, versanken in Gruppenumarmungen und spielten „Schere, Stein, Papier“. „Teambuilding“ nennt man das.
Diese jungen Menschen, die momentan in Graz verweilen, glauben allesamt an die Idee eines vereinten Europas. Nicht in dem Sinne, Staatsgrenzen zu verschmelzen oder Nationalstaaten aufzulösen, nein, hierbei geht es um Mentalität, Werte und Überzeugungen. Diese Verbundenheit war beinahe greifbar. Da war es komplett egal, dass Giacomo Italiener, Rebecca Finnin und Lena Österreicherin ist, denn sie haben alle ein kollektives Bestreben, nämlich unsere Welt gesellschaftlich barrierefreier und dadurch eventuell sogar ein bisschen besser zu machen - auch für jene, die nicht so sehr an die Idee eines geeinten Europas glauben.
"Wir driften immer weiter auseinander"
Ich finde, wir, die sich gemeinsam einen derart attraktiven Lebensraum wie Österreich oder eben Europa teilen, haben sich schon viel zu lange keine Gedanken mehr über unsere Gemeinsamkeiten gemacht. Anstatt mit der Zeit näher zusammenzurücken, driften wir immer weiter auseinander. Wir wollen uns abgrenzen, abschotten und setzen so künstliche Grenzen, denn „die“ sind ja „die anderen“ und „wir“ sind und waren schon immer „wir“.
Es darf aber nie vergessen werden, dass Grenzen, zumindest die Grenzen im Kopf, selbstständig gezogen werden. Man entscheidet sich manchmal dazu, etwas bewusst nicht wahrhaben zu wollen, und verbarrikadiert sich so in seiner eigenen perfekten Welt, in der Leute mit anderen Standpunkten oft gar nicht existieren. Was aber, wenn diese Blase platzt?
So manch einer kommt zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben vielleicht auf die Idee, dass wir alle nur Menschen sind, egal welche Hautfarbe, Nationalität oder Weltanschauung wir besitzen.
Die Devise lautet also, sich mehr miteinander zu beschäftigen. Die Flüchtlingskrise, zum Beispiel, kann nicht Österreich alleine, sondern nur Europa als Gemeinschaft bewältigen. Dem Klimawandel wiederum kann man nicht national, sondern nur global etwas entgegensetzen.
Aus genau diesem Grund sind Organisationen wie das Europäische Jugendparlament so wichtig, denn sie animieren zum gemeinsamen Erarbeiten zeitgemäßer Lösungsansätze auf die großen Problemstellungen des 21. Jahrhunderts.
Damit wir endlich aufhören, künstliche Grenzen zu ziehen, wo gar keine sein müssten. Dafür wäre ein bisschen mehr Teambuilding für uns alle schön.
Von Christina Praßl