Der Fahrer versucht noch zu bremsen, er schießt den Steilhang herunter, das Hinterrad schert rechts aus, der rote Erzbergboden spritzt in alle Richtungen. Als das Absperrband reißt, segelt die Nummer 137 direkt in den Wassergraben, der die Rennstrecke von den Besuchern trennt. Während der Fahrer vom Bock springt, hechten vier Zuseher nach unten. Mit vereinten Kräften zerren sie das Motorrad aus dem Gatsch. Die 137 reiht sich wieder auf die Strecke ein und erklimmt trotz gatschigem Hinterteil den steilen Aufschwung der "Wasserleitung", dem ersten von 27 Checkpoints.

Beim "Hare Scramble", dem härtesten Endurorennen der Welt und Höhepunkt des 27. Erzbergrodeos, trennt sich die Spreu vom Weizen. 1700 traten an, doch nur 500 Enduropiloten konnten sich beim "Prolog", dem Rennen am Samstag, qualifizieren. Nur 17 erreichten nach einem höllischen Parcours auch das Ziel. Der Schnellste: Enduroprofi Manuel Lettenbichler kam nach 2:31:15 Stunden erschöpft in die Zielarena und gewinnt damit zum zweiten Mal in Folge.

Kurz vor dem Start um 12 Uhr mittags brennt die Sonne in den Kessel, von wo es steil auf die roten Etagen des Erzbergs geht. Die meisten Fahrer finden unter großen Schirmen Schatten. Einzelne begutachten die Geröllpiste des ersten Aufschwungs, über die sie sich später alle nach oben ins Rennen drängeln werden.

Die 500 startenden Motorräder stehen in Reihen bereit. Stars und Hobbysportler nebeneinander, alle Rennfahrer haben die gleichen Chancen. Unter den Stars ist Marcel Hirscher, der heuer schon zum zweiten Mal das "Hare Scramble" reitet. Unter den Hobbysportlern ist etwa Marcello Hanschek aus Gamlitz. Auch Hanschek ist heuer zum zweiten Mal in der Königsdisziplin dabei. Letztes Jahr erreichte der 28-Jährige immerhin Checkpoint 11. Zwei jüngere Enduropiloten starten direkt nebeneinander: Michael Allesch und Anatol Hofer (beide 19). Allesch kommt aus Kärnten, während Hofer aus Linz angereist ist. Beide sitzen seit Kindheitstagen auf Motorrädern. "Ich will es unbedingt bis Checkpoint 13 schaffen", sagt Hofer. "Dort arbeitet mein Papa als Streckenposten." Ein Vatertagsgeschenk. Nicht ganz so ernst sehen das die drei Niederösterreicher vom Team "Hopfenblüten-Racing", die in schwarz-rosa Dressen an den Start gehen. "Ich will einfach nur aus diesem Kessel rauskommen", schmunzelt der 22-jährige Matthias.

Sandra Gomez startet als Favoritin

Nur drei Frauen haben sich für das Sonntagsrennen qualifiziert. Mit der Startnummer 98 ist die Spanierin Sandra Gomez die Favoritin. "Der Erzberg ist das mit Abstand härteste Endurorennen", ist die 30-Jährige überzeugt. Aber die Strecke sehe heuer gut aus, es sei nicht zu gatschig. "Bei Checkpoint 17 war der Kampf letztes Jahr vorbei", erzählt sie vor dem Rennen. Nach dem "Cuckoo’s Nest", der Nummer 15, wird sie schließlich ausscheiden. 

Chaos beim "Zentrum am Berg"

Eine Stunde nach dem Start dichtes Gedränge einige Etagen höher beim "Zentrum am Berg". Die Auffahrt zum Checkpoint ist so steil, dass viele Motorradfahrer auf halber Strecke stürzen. Lenker verkeilen sich, Räder drehen durch, die Fahrer ziehen und schieben, nichts geht mehr. Immer wieder knattern neue Motorräder von unten herauf. Was für den Laien ungemein gefährlich aussieht, ist für die Streckenposten reine Routine.

Ein Nervenkitzel ist das Rennen für Zuschaurin Jaqueline. Selbst begeisterte Enduro-Fahrerin, hat die Leibnitzerin heute noch zwei Freunde im Schlepptau, die direkt von Nova Rock Festival angereist sind. Vom Gatsch in den Gatsch quasi. "Direkt zum guten Geruch der Zweitakter", wie Freund Martin sagt. Nächstes Jahr wolle man auf das Nova verzichten und gleich zum Erzbergrodeo fahren. 

Die Startnummer 137, der Holländer Siebe Winters, passiert nach 57 Minuten noch Checkpoint Fünf. Bei Nummer Acht kommt er nicht mehr an.