"Acht Jahre habe ich auf dieses Ziel hingearbeitet, nun habe ich das Maturazeugnis in der Hand. Und das war es jetzt? Bin ich jetzt erwachsen? Wie geht es weiter?" Solche Gedanken gingen Antonia Waschnig (18) aus Leoben nach erfolgreich abgelegter Reifeprüfung durch den Kopf. Studieren, ja. Aber was? Den Rat ihres Papas, eine Sprache zu lernen, fand sie gut, erzählt sie.
Nach langen Überlegungen, beeinflusst auch durch ihre Vorliebe für koreanische Filme, habe sie ihre Entscheidung getroffen, über EF (Education First) für ein halbes Jahr nach Korea zu gehen, um die Sprache zu lernen und sich mit dieser fremden Kultur vertraut zu machen.
Schnell die hilfsbereite Art kennengelernt
Bereits bei ihrer Ankunft am Flughafen habe sie die zuvorkommende und hilfsbereite Art der Koreaner kennenlernen dürfen. Trotz großer Sprachbarrieren hätten sich alle unglaublich bemüht, ihr liegengelassenes Handy ausfindig zu machen.
Als sie nach ungefähr zwei Stunden Fahrt mit dem Taxi Seoul erreicht habe, sei sie von dieser Großstadt sehr überwältigt, ja fast ein wenig erschrocken gewesen. Der Gedanke "Was habe ich da gemacht? Ich, Antonia aus Leoben, bin in Korea", sei ihr als Erstes in den Sinn gekommen. Ihr anfänglich mulmiges Gefühl, so allein in einem fremden Land zu sein, sei allerdings mit dem ersten "Schultag" sofort verschwunden.
Man werde durch die Coaches von EF sehr gut betreut. Neben den vier Unterrichtseinheiten, abwechselnd vormittags und nachmittags, würden zahlreiche Freizeitaktivitäten angeboten, an denen man nach Belieben teilnehmen könne.
Kurzerhand in Männergewand gesteckt
Das Erlernen der koreanischen Sprache würde durch intensives Üben sehr erleichtert. "Einmal haben wir im Unterricht ein Video gedreht, in dem ich einen Mann darstellen musste. Das war für mich gar nicht so einfach, und schließlich wurde ich in ein koreanisches Männergewand gesteckt", erzählt sie lachend.
Neben der Zeit, die man in der Schule verbringt, gebe es aber genügend Möglichkeiten, um in das Leben der Koreaner einzutauchen, sich mit ihrer Lebensweise vertraut zu machen.
Sehr beeindruckend fand sie die riesigen Fischmärkte. Da könne man sogar einen lebenden Oktopus probieren, was ein eher eigenartiges Gefühl im Mund hinterlasse. "Schwer zu kauen, seine Bewegungen kitzeln seltsam im Mund", meint sie schmunzelnd. Es werde auf jeden Fall sehr viel Fisch gegessen.
Streetfood, Gangnam-Party oder fein essen?
Streetfood sei auch ein großes Thema. "Es gibt ein eigenes Streetfoodviertel, es gibt Bezirke mit Nachtmarktbetrieb und natürlich das Gangnam, das "Partyviertel", erklärt sie. Wolle man aber feiner essen gehen, müsse man die Businessviertel aufsuchen. Im Allgemeinen werde mit Stäbchen oder mit den Händen gegessen.
Für Letzteres benütze man Wegwerfhandschuhe. In der Ecke gebe es einen Wasserspender, wo man sich das Getränk selbst holen könne, schildert sie einen Restaurantbesuch. Es sei neben Tee auch üblich, Wasser zum Frühstück zu trinken.
"Der Kaffee wird eher als Nachspeise angesehen, weil er mit sehr viel Zucker und sehr viel Milch serviert, und kalt getrunken wird." Es gebe nämlich nur Vor- und Hauptspeise, Kuchen eher nicht, fügt sie hinzu, aber es sei sowieso alles süß. "Es gibt sogar süßes Knoblauchbrot", sagt sie.
Streicheleinheiten im Erdmännchencafé
Und es gebe viele Cafés, wobei die Tiercafés eine Besonderheit darstellen würden. Da die Menschen meist in Wohnungen lebten, und es daher so gut wie keine Haustiere gäbe, könne man zum Beispiel in einem Katzen-, Erdmännchen- oder auch Schafcafé Streicheleinheiten verteilen.
Auf Trinkgeld sollte man auf alle Fälle verzichten, das gelte in Korea als unhöflich und würde bedeuten: Du hast einen schlechten Job gemacht. Generell werde man als Ausländer sehr bestaunt, viele Europäer seien dort nur aus diesem Grund berühmt geworden.
Großer Respekt vor älteren Menschen
Sehr beeindruckt zeigte sich Antonia, vom Respekt, der den älteren Leuten entgegengebracht werde. Sie erklärt, man dürfe ältere Menschen auf gar keinen Fall ausbessern, und es sei äußerst unhöflich, zu widersprechen. Auch wenn man ganz sicher wisse, dass die Aussage falsch sei, müsse man entgegnen "genau so ist es".
Man müsse auch alles annehmen, was einem von einem älteren Menschen angeboten würde. Man könne in dieser Situation nicht einmal einen Soju, das koreanische hochprozentige Nationalgetränk, ablehnen - auch wenn man selbst gar keinen Alkohol trinkt.
Man müsse auch darauf achten, alles mit beiden Händen entgegenzunehmen oder weiterzugeben. Etwas mit einer Hand zu reichen, empfinde der Koreaner als respektlos.
"Selbstvertrauen und Selbstständigkeit"
Mit all diesen Eindrücken kehrte Antonia nun für einige Tage nach Leoben zurück, um Ihr Visum verlängern zu lassen. "Ich habe viel an Selbstvertrauen und Selbstständigkeit dazugewonnen", bekräftigt sie. Es ändere sich schon einiges, wenn man auf sich allein gestellt sei. Aber sie habe nun, erzählt sie stolz, eine Idee, wie die Zukunft aussehen könnte.
Sie möchte ein Studium für Internationale Rechtswissenschaften beginnen. Den Kurzaufenthalt im elterlichen Nest genieße sie sehr, betont sie, und fügt lachend hinzu: "Besonders wichtig war es für mich, mit meinen Freundinnen auf den Gösser Kirtag gehen zu können. Das ist so typisch für Leoben, und ich liebe die mit Schokolade überzogenen Erdbeeren."
Brigitte Schöberl