Jakarta ist ein bisschen wie Los Angeles: Stadt der Hoffnungen. Menschen aus ganz Indonesien kommen dort hin, um etwas zu werden“, sagt Martin Schmidt über die Metropole mit 30 Millionen Einwohnern. Er ist einer von ihnen. Und auch wieder nicht: Der 21-Jährige hat zwei Kulturen im Herzen. Seine Mutter stammt aus Indonesien, ist selbst in Jakarta aufgewachsen.
Schmidts Vater stammt aus Österreich. Um sich zu finden, wagte Schmidt vor einem Jahr einen wahrhaft großen Schritt, der ihn tausende Kilometer von dem kleinen Leoben forttrug – er brach in der Obersteiermark seine Zelte ab und übersiedelte nach Jakarta. „Ich habe in Österreich alles abgemeldet und abgesagt. Ich wollte dort hin, weil meine Mama Indonesierin ist, und ich den Indonesier in mir schwer kennenlernen konnte – außer vielleicht durch die Kochkünste meiner Mama“, erzählt Schmidt.
Derzeit macht er gerade Urlaub in Leoben, wo er aufgewachsen ist. Er habe nicht gewusst, ob er es in Jakarta packen werde, zu überleben. „Ich bin auf mich alleine gestellt und ohne Plan abgereist. Grundsätzlich bin ich nicht aus erster Linie wegen Universität, Ausbildung oder Arbeit hin – sondern, um zu wissen, wer ich bin“, erzählt Schmidt. Seine Eltern hätten es schnell erkannt, dass ihm dieser Plan, auszuwandern, ein Herzensanliegen war. „In seiner Jugend war mein Papa selbst ein Weltenbummler“, so Schmidt.
Einfach sei der Start in Jakarta keineswegs gewesen. Die Familie seiner Mutter habe ihm aber wertvolle Unterstützung gegeben – zum Beispiel, um ein Visum zu bekommen. Zuerst habe er einmal Indonesisch lernen müssen: „Zwischen Hoch- und Umgangssprache gibt es einen gewaltigen Unterschied. Zuerst haben alle gedacht, dass ich mit meinem seltsamen Akzent aus Papua-Neuguinea stamme“, erinnert sich Schmidt mit einem Schmunzeln. Leider habe er die Chance verpasst, die Sprache in Österreich von Kind auf zu lernen.
Kein Kulturschock
Mittlerweile hat er es aber drauf – den formellen Umgang und den Straßenjargon: „Wenn du in einer Sprache einmal den Schmäh führen kannst, bist du recht gut.“ Zuerst hätten ihn die Menschen als Ausländer behandelt, obwohl er halb Indonesier ist. „Kulturschock wegen Dingen wie Dauerstau, Smog oder Hitze hatte ich keinen. Sehr wohl jedoch wegen subtilerer Dinge: Indonesier sind sehr höflich und wahren den Respekt, das gibt es in dieser Form in Österreich nicht.“ Als er nach Jakarta gekommen ist, habe er den naiven Plan gehabt, Schauspieler zu werden.
Theatererfahrung hat Schmidt in Leoben bei der Jungen Bühne gesammelt. Auch in Jakarta hat er den einen oder anderen Abstecher zum Fernsehen gemacht: „Ich habe für einen Nachrichtensender für ein englischsprachiges Programm Meldungen verfasst, die der Sprecher dann vom Teleprompter abgelesen hat.“
Er habe angefangen, nach ein oder zwei Monaten, in einer Sprachschule zu arbeiten. Dort hat er Maturanten in Deutsch unterrichtet, die in Österreich oder in Deutschland studieren wollen. „Viele Schüler waren ähnlich alt wie ich, und wir sind Freunde geworden.“ Etliche von ihnen leben nun in Deutschland. Das Unterrichten mache ihm Spaß. Mittlerweile gibt er auch Sechs- bis Zehnjährigen Unterricht – in Englisch.
Durchschnittseinkommen
100 Euro kostet sein Mini-Zimmer im absoluten Zentrum der indonesischen Hauptstadt. Das sei für Österreich billig, für den Normalverdiener in Indonesien aber unleistbar. „Das ist das Drittel eines Durchschnittseinkommens.“ Um sich das Leben zu finanzieren, habe er auf Bali in einem Nachtklub gearbeitet, wo er an Touristen teure Weinflaschen verkauft habe. Er hat im Business Development gearbeitet, sich für Kinder aus schwierigen Verhältnissen engagiert, Workshops veranstaltet, Charity- und kulturverbindende Events und Diskussionen moderiert.
Auf Bali hat er an seinem ersten Film mitgewirkt. Und in diese Richtung will er weiter gehen. „Ich habe das Glück gehabt, wichtige Leute kennenlernen zu können.“ Darunter bekannte Schauspieler, Freunde von Barack Obama und den Bürgermeister von Jakarta. In einer Community mit Indonesiern, die auch Bezug zu Österreich haben, habe er ebenfalls seine Fühler ausgestreckt. „Im August habe ich bei einer internationalen Konferenz im Beisein des indonesischen Präsidenten und 2000 Zuschauern eine Rede auf Deutsch gehalten – zum Thema interkulturelle Verbundenheit.“
Kulturen zu verbinden sei ihm ein zentrales Anliegen. Obwohl er sich Indonesien inzwischen emotional näher fühlt als Österreich, freut er sich auch auf Palatschinken und Topfenknödel seiner Oma.