Teil 8
Meine lieben Tagebuchleser, die ihr mir über acht Wochen die Treue gehalten habt: Das Match ist gewonnen! Als echter Sportsmann habe ich sämtliche Hürden der mündlichen Matura im Galopp genommen, habe mich über diverse Stolper-Frage-Steine hinweggehechtet und mich mit einem beherzten Hochsprung über die ehrenwerte Prüfungskommission in das Matura-Tor katapultiert. Keine Fouls, keine Tricks und somit gültiges Spiel! Hilfreicher Tipp für alle Maturanten in spe: Entscheidend für eine erfolgreiche Zielgerade ist neben ein bisserl Durchhaltevermögen vor allem ein professionelles Betreuungsteam. Am besten eines, das euch rund um die Uhr zur Verfügung steht. Eines, das euch noch vor Mittag aus den Federn wirft. Eines, das das Trainingsgelände sauber hält, indem es auf eurem Schreibtisch regelmäßig die Pizzaschachteln von den Lehrbüchern trennt. Eines, das sich auf professionelles Coaching versteht, indem es euch bei anhaltender Lernfaulheit den Spielplan konsequent um die Ohren haut. Eines, das Nerven wie Drahtseile hat, um euch mit allen miesen Launen auszuhalten.
Ehrlich, Leute: Ohne ein solches Betreuungsteam habt ihr kein Leiberl! Meinen Matura-Pokal möchte ich daher gerne weiterreichen – außerordentliche Verdienste gehören belohnt. Kniefall vor so viel Geduld und Humor. Danke, Mama!
Teil 7
Nur noch eine knappe Woche und dann: Mündliche Matura – der Tag der Wahrheit! Langsam macht sich ein wenig Panik breit. Das merklich geschwächte Nervenkostüm braucht Stärkung. Allein beim Gedanken an den Lernstoff fährt mein Magen Achterbahn. Da hilft nur Süßes. Und dann etwas Salziges. Mit etwas Scharfem. An dieser Stelle schicke ich liebe Grüße an meinen Mathematikprofessor. Vorschlag für eine sinnvolle wie spannende Prüfungsfrage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Schüler nach drei Stück Sachertorte plus drei Bechern heißer Schokolade und einem belegten Schinkenbrot in der Größe eines Fußballfeldes zum Frühstück, dann zu Mittag beim Chinesen die Nummern 21, 33, 38, 42 und 65 bestellt – mit gebratenem Reis extra? Zu schwierig? Hier die Lösung: Sie liegt bei hundert Prozent! Ich habe das öfters geprüft und das Ergebnis war immer dasselbe.
Weitere Denkaufgabe: Wenn ich auf Basis dieser Beweisführung am Nachmittag noch drei Stück Erdbeerkuchen und zwei Eiskaffee, am Abend eine Pizza Quattro Formaggi sowie zu nächtlicher Lernstunde zwei Käsetoasts mit einem Liter Energydrink verdrückt habe: Welche Maßnahme werde ich am Morgen meiner Matura als erstes ergreifen? Geh bitte, das ist jetzt aber echt nicht so schwer. Ich tausche den Matura-Anzug um. Drei Nummern größer, bitte!
Teil 6
Allzu intensives Lernen verursacht Schlafmangel. Erkenntnis der Woche: Das zeitweilige Abdriften in das Land der Tagträume bringt Entspannung. Ich schließe meine Augen, und schon ist er da – der große Tag der mündlichen Matura. Der dunkle Anzug sitzt und ich hab die Haare schön. Kurz: Paul auf ganz seriös. Im Prüfungssaal hat sich bereits die Professorenschaft versammelt, sie wirkt aber irgendwie ein wenig ratlos. Meine Kollegen und ich nehmen gelassen Platz, und ich lege gemütlich meine Beine hoch. Alexander neben mir kühlt schon mal den Sekt und Verena reicht belegte Brötchen. Lautes Raunen und fragende Blicke seitens der Direktion. Ach ja, die Matura! Wir zücken die Prüfungsfragen und nun wird es etwas unangenehm. Niemand hat die geringste Ahnung von der Materie, eine echte Katastrophe. Resümee der Prüfungskommission: Ausnahmslos alle negativ, zurück an den Start bitte. Was nun wirklich nicht unser Problem ist. Die Professoren verdrücken sich schuldbewusst und versprechen, für den nächsten Termin besser zu lernen.
Alexander lässt die Korken knallen und wir feiern die vom Parlament endlich abgesegnete Schulreform: Schüler an die Macht! Prost auf unsere fähigen Politiker! Dann knallt es wieder: Der meterhohe Bücherstapel ist von meinem Schreibtisch gekracht. Wie schade, schon aus der Traum.
Teil 5
Recycling, Energietechnik, Englisch, Unternehmensführung, Wirtschaftsrecht: Der feine Mix meiner mündlichen Maturafächer, der selbst einem eher entspannten Typen wie mir so manchen Moment des Selbstzweifels beschert. Ist denn das überhaupt zu schaffen? Und wenn ja, von wem? Aber die fürsorgliche Professorenschaft beruhigt: Lernerfolg entwickle sich fast eh automatisch, Woche für Woche, Schritt für Schritt. Fleiß vorausgesetzt. Besonders hilfreicher Tipp: Immer wieder Entspannungseinheiten einplanen. Ja, dann! Pokern ist zwar gestrichen, aber ein nächtliches Grillgelage funktioniert als Relaxingprogramm vielleicht auch ganz gut. Für die nächsten paar Stunden raucht nicht mein Kopf, sondern die Holzkohle für Koteletts, Würstel & Co. Ein Bierchen macht die Runde, der Drum & Bass-Sound wummert in voller Lautstärke: Matura war gestern, Party ist heute. Dem Sandmann ist sie offensichtlich zu heiß, er traut sich erst bei Sonnenaufgang vorbei.
Zehn Stunden Tiefschlaf, drei Liter Wasser und vier Aspirin später, schleppe ich mich zurück an den Schreibtisch. Alles easy jetzt: Ich recycle die Energietechnik und führe ein Unternehmen auf Englisch. Oder soll ich doch eher das Unternehmen recyceln und künftig Energietechnik auf Englisch lernen? Wäre das wirtschaftlicher? Egal. Es wird schon werden. Schritt für Schritt.
Teil 4
Nach Wochen ziemlicher Selbstaufgabe (kein Poker, ehrlich) und nach Tagen höchster Lernkonzentration, war der Tag der Wahrheit gekommen: Gemeinsam und in stiller Verbundenheit mit allen anderen aufgelösten 25.500 Kandidaten der berufsbildenden Schulen trete ich um 8 Uhr den Weg in die Schule an. Perfekt gerüstet für die Zitterpartie im Maturacorso: Mathematik! Aber ich bin cool drauf, denn mehr Vorbereitung geht nicht: Alle Bifie-Übungsbeispiele gefühlte tausende Mal vor und rückwärts gerechnet, Rücken und Magen liebevoll von der Family gestärkt.
Entspannt suche ich mir im Klassenzimmer meinen Platz. Bringe Jausensemmerl und Wasserflasche in Pole-Position – das Fest der grauen Zellen dauert fünf Stunden. Dann schweift mein Blick zum Nachbarn. Schokoriegel und Cola. Kugelschreiber und Geodreieck. Schlagartig hat es im Raum 52 Grad Celsius, mein T-Shirt klebt klitschnass. Kein Wunder: Alles im Hirn, aber nix im Rucksack! Zumindest keine Utensilien, um meine Mathe-Lösungen auf Papier zu bringen. Hechtsprung in die Nebenklasse, vierter Jahrgang. Verlegenes Flehen, die Nerven gespannt wie Gummiringerl. Vor mir die Bande, erst ungläubig grinsend, dann schallend lachend. Es siegt das Mitleid – vielen Dank für die Leihgabe, Leute! Mit der Matura reif fürs Leben? Eher reif für die Insel.
Teil 3
Die erste gute Nachricht: Meine Vorsätze halten und Abendtermine werden bis auf Weiteres eisern gecancelt. Die Matura erlebe ich schließlich nur ein einziges Mal, (hoffentlich), die Pokerrunden öfters. Manchmal kann man eben auch als 19-jähriger die Vernunft walten lassen – Ein sehr schöner Satz, den ich übrigens hiermit all jenen leidgeprüften Eltern widme, die zwischenzeitlich an der Zurechnungsfähigkeit ihres Nachwuchses zweifeln.
Manchmal reicht ja schon ein einziges Erfolgserlebnis aus, um wieder in die Spur zu kommen.
So geschehen mit meiner Diplomarbeit. Sie ist durch! Allerdings war Ausdauer angesagt: Am Vormittag musste ich in die Schule, um das „OK“ zu geben, dass ich fit für die „Verteidigung“ bin. Und dann kam das lange Warten – bis 15.00 Uhr! Vier Schnitzelsemmeln, acht Schokoriegel und 3 Liter Energy-Drinks später, war es dann soweit: In sieben Minuten Präsentationszeit galt es die Prüfungskommission von der Genialität meines Meisterwerkes zu überzeugen. Dann noch ein paar Prüfungsfragen beantworten – eher easy, wenn man sich ein ganzes Jahr mit einem Thema beschäftigt hat. Das Ergebnis: Ein souveränes „Sehr gut“!
Bei der Gelegenheit, an alle Eltern daheim an den Taschentüchern: Macht euch bitte keinen Stress. Gestern Poker, heute Ehrgeiz - mit ein bisschen Glück kratzen wir eh (meist) die Kurve.
Teil 2
Tja, leider hat niemand von euch die Uhr angehalten. Weshalb die Matura nun bereits in gefühlter Überschallgeschwindigkeit auf mich zukommt.
Leider leide ich aber schon seit jeher sehr stark am „Mache ich morgen“ – Lernphänomen. Denn, dass das schulische Engagement mit dem Näherrücken der Prüfungstermine automatisch und progressiv steigt, ist reines Wunschdenken – vor allem das meiner Mutter.
In Wahrheit ist eher das Gegenteil der Fall: Nur mehr fünf Tage bis zur Deutschprüfung? Wer lässt deshalb schon den Pokerabend mit den Kumpels ausfallen? Das wäre Hochverrat an der Freundschaft. Ein kühles Bierchen, und noch eines - mein schlechtes Gewissen lässt sich erstaunlich schnell beruhigen. Am nächsten Morgen hat allerdings noch immer niemand meine Übungstexte geschrieben. Also kommentiere, erörtere und analysiere ich was das Zeug hält, ganz so wie in den Vorbereitungsunterlagen gewünscht.
Das Ergebnis meiner Anstrengungen: Es sei hier mit kommentiert, dass ein Bierchen zu viel böses Kopfweh verursacht. Es sei hiermit erörtert, dass man in Ausnahmefällen Einladungen auch mal absagen kann und sollte. Und es sei hiermit analysiert, dass sich mit Sicherheit kein Pokerabend mehr vor der Matura ausgehen wird. So, Vorbereitung fertig!
Teil 1
Hallo, mein Name ist Paul Uschan, ich bin 19 Jahre alt und besuche die HTL Leoben. Tatsächlich bin ich schon vielmehr ein Besucher als ein Schüler der Schule: Denn für mich beginnen die Vorbereitungen für die Matura, und damit ist der reguläre Schulbetrieb Geschichte. Ziemlich rasch sind diese fünf Jahre vergangen – mit vielen Höhen und ein paar Tiefen – wie Schule eben so ist. Momentan mein ständiger Gedanke: Die Zeit rennt, aber wie!
Nur vage im Kopf
Vor dem Beginn der Osterferien hatte ich die Maturavorbereitung nur vage im Kopf, meine Gedanken waren dabei, das letzte Semester mit guten Noten abzuschließen. Im Gegensatz zu den Gymnasien, wo die Schüler der Abschlussjahrgänge eine vorwissenschaftliche Arbeit schreiben müssen, gibt es auf einer HTL eine Diplomarbeit, die unter Betreuung einer Firma verfasst wird. Nebenbei galt es also auch, die Diplomarbeit fertigzustellen und diese den Lehrern und dem Unternehmen zu präsentieren. Stressig, aber machbar. Jetzt fehlt noch die Verteidigung der Diplomarbeit in der kommenden Woche.
Nicht viel Zeit
Mittlerweile dämmert mir, dass zwischen der ersten schriftlichen Maturaprüfung, nämlich Deutsch am 3. Mai und dem heutigen Tag wirklich nicht mehr viel Zeit liegt. Und für meine anderen Fächer, Mathematik und Informatik, soll ich mich auch vorbereiten. Panik! Kann bitte jemand die Uhr anhalten?