Am Montag kurz vor 14 Uhr steht Christopher Drexler allein an der Bar des ÖVP-Landtagsklubs und labt sich bei Kaffee und Kuchen. Gegenüber, im Sitzungssaal, berät der erweiterte Vorstand der ÖVP über sein Schicksal.

Drexler hat den Raum verlassen, um einer offenen Aussprache nicht im Weg zu stehen. Eine noble Geste. Aber bangen muss er nicht, denn seine schlagkräftige ÖAAB-Phalanx hat das Geschehen zunächst im Griff. Hinter verschlossenen Türen leitet Landesrat und Vizeparteichef Karlheinz Kornhäusl die Sitzung und sorgt verlässlich dafür, dass ein Scherbengericht unterbleibt.

Am Ende wird Drexler „einstimmig“ bestätigt, wenn auch nur mit befristeter Prokura: Er soll die Verhandlung mit der FPÖ leiten. Dann wird man weiter sehen. Um Einigkeit zu signalisieren, treten nach der Sitzung ganze zehn Personen gemeinsam mit dem Landeshauptmann vor die Kameras: seine vier bisherigen Mitregierer und die Chefs aller sechs ÖVP-Teilorganisationen. Keiner soll ausscheren. Die Wortwahl ist jetzt deutlich anders als am Vorabend: Drexler nimmt die Niederlage „demütig“ auf seine Kappe.

„Personelle Neuaufstellung“ nach Verhandlung

Doch der zur Schau gestellte Frieden währt kurz. Am frühen Abend sendet Wirtschaftsbundchef Josef Herk intern eine vertrauliche Nachricht an den inneren Kreis der Wirtschaftsbund-Leute: Man habe Drexler nur grünes Licht für die Verhandlung gegeben. „Danach brauchen wir eine organisatorische und personelle Neuaufstellung.“ Eine Kampfansage. Denn Herk selbst steht unter Druck, er muss im Frühjahr 2025 eine Wirtschaftskammerwahl schlagen. Und die schwarzen Unternehmer haben ihm das Messer angesetzt. Einer sagt: „Es wurde die Veränderung gewählt, und wenn man sich selber nicht verändert, wird man irgendwann nicht mehr dabei sein.“

Schon die Vorstandssitzung war keineswegs friktionsfrei gelaufen. Zunächst werfen sich Kornhäusl und Drexler-Freund Werner Amon für den Parteichef in die Schlacht. Auch Bundesrat und ÖAAB-Landesobmann Günther Ruprecht steht unverbrüchlich zum Parteichef.

Doch der Plan des Fanclubs, Drexler gleich das uneingeschränkte Vertrauen auszusprechen, stößt auf Widerspruch. Der Gleisdorfer Bürgermeister Christoph Stark und der Oststeirer Lukas Schnitzer, gestärkt durch 2.987 Vorzugsstimmen, sind Wortführer der Kritik. Man dürfe angesichts der Schlappe nicht zur Tagesordnung übergehen. Personelles und Organisatorisches solle „später in einer eigenen Sitzung geklärt werden“, sagt ein Teilnehmer.

Auch Herk bleibt schon in laufender Sitzung reserviert. Er und andere stoßen sich an Drexlers „Bauernopfer“-Sager. Als der LH wieder zur Tür hereinkommt, schweigen zwar die anderen, aber Herk meldet sich nochmals zu Wort und sagt ganz unverblümt: „Diese Wortwahl war eine Katastrophe. Ich bitte dich, das zu revidieren.“ Was Drexler dann auch tut.

Nur in der Not zusammengerückt

Geklärt ist somit kaum etwas, die Partei ist nur in der Not zusammengerückt. Größte Sorge der Schwarzen ist nämlich, dass sich FPÖ und SPÖ rasch auf eine blau-rote Regierung einigen. Laut einem Gerücht, das in ÖVP-Kreisen kursiert und am Montag alle aufgeschreckt hat, gebe es zwischen Blau und Rot schon konkrete Signale und Beschlüsse. Drexler müsse das verhindern und jetzt wenigstens noch die Kastanien aus dem Feuer holen, lautet die Hoffnung.

Klar ist nicht einmal, welche Regierung man anstreben soll. In der Sitzung gab es Plädoyers für Blau-Schwarz, aber auch für eine Dreierregierung mit SPÖ und Grünen oder Neos. Denn mit der FPÖ könnte der ÖVP-Niedergang weitergehen. Dass Drexler den Vize-LH unter FPÖ-Chef Mario Kunasek gibt, kann sich ohnehin kaum wer vorstellen. Aber Opposition wäre noch härter. Mandate und Posten könnten wegbrechen. Beispiel Wahlkreis Graz: Die ÖVP hat vier Mandate, aber auf den ersten vier Plätzen stehen die Landesräte. Muss die ÖVP in Opposition, gingen die dahinter Platzierten leer aus, etwa Geschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg und Martina Kaufmann.

Damit nicht genug, droht im März 2025 bei den Gemeinderatswahlen ein weiterer FPÖ-Vormarsch. Die Blauen konnten beim letzten Mal wegen Kandidatenmangels nicht überall antreten, jetzt formieren sich viele neue FPÖ-Ortsgruppen. Die ÖVP-Bürgermeister könnten versuchen, sich vom sinkenden schwarzen Schiff loszusagen und mit Namenslisten ihr Heil zu suchen.