Die Obersteiermark in der Videoanalyse
Sie haben entschieden! Rund 940.000 Steirerinnen und Steirer durften bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben. Und nun steht fest, wie diese spannende Wahl ausgegangen ist.
Grenzenlos ist der Jubel bei der FPÖ Murtal. Hier ein Video von der Verkündung des Wahlergebnisses aus dem randvoll besetzten Parteibüro in Knittelfeld:
Das Ergebnis bringt den 33-jährigen Zeltweger Berufssoldaten Thomas Maier in den Landtag. Am emotionalsten ist – zumindest nach außenhin sichtbar – nicht Maier selbst, sondern seine Lebensgefährtin Anamaria Gföller. Nachdem das Wahlergebnis bekannt ist, kann sie ihre Tränen nicht mehr halten. Der frischgewählte Abgeordnete gibt sich abgeklärt: „So schön es ist, aber bei aller Euphorie heißt es jetzt, das Ganze mit Demut zu betrachten und die Verantwortung zu sehen, die uns da übertragen wurde.“ Im Parteibüro erklimmt zunächst Bezirksparteichef Wolfgang Zanger eine Leiter für eine Ansprache, nach ihm Thomas Maier. Beide bedanken sich bei der Wählerschaft und bei den Funktionären für deren Einsatz.
Enttäuschte Landtagspräsidentinnen
Die ÖVP musste auch in den Bezirken Murtal und Murau starke Verluste einfahren. Die aus dem Bezirk Murau stammende Erste Landtagspräsidentin Manuela Khom macht keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung: „Ich bin persönlich deprimiert“, sagt sie über das Ergebnis. Worauf sie das Ergebnis zurückführt? „Es ist die Summe von verschiedenen Dingen“, meint sie. Mit ihren Mitstreitern analysiert sie im Murauer Bezirksbüro das Ergebnis, das sich abgezeichnet habe. „Aber das der Unterschied so groß sein wird, damit habe ich nicht gerechnet.“ Das Wahlergebnis sei hinzunehmen. Mit diesem Ergebnis ist auch Khoms Ära als Erste Landtagspräsidentin vorbei.
„Mir geht es nicht gut“, sagt Gabriele Kolar (SPÖ). Auch die Zweite Landtagspräsidentin ist enttäuscht. „Es ist schlimm, ich kann es nicht beschönigen“, so Kolar, die auch auf Dinge verweist, die sie als Abgeordnete umsetzen konnte. Sie habe im Wahlkampf mit vielen Menschen Kontakt gehabt und festgestellt, dass bei den „Wahlmotiven“ der Menschen auch die Entwicklungen nach der Nationalratswahl eine wichtige Rolle gespielt haben. „Die Leute waren so zornig. Sie haben sich gedacht, aber jetzt erst recht.“ Entmutigen lassen will sich die Judenburgerin aber nicht: „Ich bin ein Stehaufmännchen.“ Heute sei sie traurig, aber morgen gehe der Blick wieder nach vorne. Nicht gereicht hat es übrigens für den Pölser Bürgermeister Gernot Esser, der bei einem guten Ergebnis eine Chance auf ein Mandat gehabt hätte.
Videoanalyse des Ergebnisses im Wahlkreis Obersteiermark
„Schwer begreifbar“
Der Murtaler ÖVP-Bezirksparteiobmann und Landtagsabgeordnete Bruno Aschenbrenner hat im Wahlkampf „die Veränderung gespürt“, wie er sagt: „Nur dass die FPÖ so hoch gewinnt, damit habe ich nicht gerechnet.“ Mit Blick auf seine Gemeinde St. Marein-Feistritz, wo die FPÖ um drei Prozentpunkte vor der ÖVP liegt, sagt Aschenbrenner: „Wenn man schaut, was in der Gemeinde auch mit viel Unterstützung des Landeshauptmannes gelungen ist, ist so ein Ergebnis schwer begreifbar. Aber es ist zu akzeptieren.“ An der FPÖ in der Regierung werden kein Weg vorbeiführen.
Neos-Mandatar Robert Reif zitterte um Mandat
Um sein Mandat zittern musste bis in den späten Abend der Murtaler Neos-Abgeordnete Robert Reif: „Es ist noch in Schwebe, ob wir ein drittes Mandat schaffen, mit dem ich wieder im Landtag wäre. Das hängt vom Ergebnis Graz ab“, sagte er gegen 18 Uhr. Später am Abend war dann klar: Wenn die Wahlkarten keine massive Veränderung bringen, gibt es kein drittes Mandat. Unabhängig davon hätten die Neos ein „sensationelles Ergebnis“ geschafft und neben der FPÖ als einzige zugelegt, zeigt sich Reif zufrieden.
„Leute sind am Infostand freundlich, aber das bedeutet nichts“
Schon vor der offiziellen Verkündigung des Wahlergebnisses wusste Renate Pacher, wohin die Reise geht. Die ehemalige KPÖ-Landtagsabgeordnete und Knittelfelder Gemeinderätin staunte über 42 Prozent für die FPÖ in ihrem Wahlsprengel, während ihre Partei auf sechs Prozent kam. „Wenn man Infostände macht, sind die Leute immer sehr freundlich, aber ich habe in meiner politischen Laufbahn gelernt, dass das nichts mit dem Wahlverhalten zu tun hat.“ Sie ist seit mehr als 30 Jahren KPÖ-Politikerin und will weitermachen: „Einfach weil ich glaube, dass die Gesellschaft uns braucht.“
Die Stadt Murau bleibt knapp schwarz
666 FPÖ, 675 ÖVP. Denkbar knapp ist das Ergebnis in der ÖVP-Stadtgemeinde Murau ausgegangen. „Das ist wirklich eng geworden“, sagt Bürgermeister Thomas Kalcher. Dass das Gesamtergebnis in dieser Dimension für die FPÖ ausgeht, damit hat er nicht gerechnet. Wie nach der Nationalratswahl sagt Kalcher auch jetzt wieder, dass die Freiheitlichen das Ruder übernehmen sollten und die ÖVP in die Oppositionsrolle gehen sollte. Auch wenn es Landtagswahlen und keine Gemeinderatswahlen waren: Nimmt er das Ergebnis persönlich, da die FPÖ in seiner Heimatgemeinde aktuell im Gemeinderat nicht vertreten ist: „Persönlich nehme ich das nicht, aber ich bin schon irritiert“, sagt Kalcher. Ihm fehlt das Verständnis, dass das „populistische Sprücheklopfen“ bei den Menschen so gut ankomme. Hinsichtlich der Gemeinderwatswahlen im kommenden Jahr macht er sich keine Sorgen: „Man muss damit rechnen, dass die Freiheitlichen vermehrt auch in den Regionen antreten, aber das beunruhigt mich nicht. Im Murauer Gemeinderat „gehören“ aktuell 16 der 21 Mandate der ÖVP, drei SPÖ und zwei Grüne. Was die höhere Wahlbeteiligung angeht, sagt Kalcher, dass das Mehr an Stimmen quasi direkt an die FPÖ gegangen sei.
SPÖ und FPÖ im Bezirk Murau
Die SPÖ verlor 5,96 Prozentpunkte und kamen auf 18,19 Prozent. Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren war Mühlen die einzige rote Gemeinde im Bezirk, der Rest präsentierte sich türkis. Nun gibt es keinen einzigen roten Fleck mehr auf der politischen Landkarte. Als „nicht zufriedenstellend“ bezeichnet Mühlens Bürgermeister Christian Steibl (SPÖ) das Ergebnis. „Ich bin kein Politanalyst, aber ich denke, dass auf Bundesebene nicht die klügsten Entscheidungen getroffen wurden“, glaubt er an „blaue Trotzreaktionen“.
FPÖ-Bezirksparteiobmann Thomas Auer wiederum ist überzeugt, dass „die gute Arbeit der Freiheitlichen“ mit einem „bodenständigen und ehrlichen“ Mario Kunasek an der Spitze zu diesem Ergebnis geführt habe. 8 der 14 Murauer Gemeinden sind nun blau, die Freiheitlichen legten im Bezirk 20,88 Prozentpunkte zu und wurden mit 38,68 Prozent stimmenstärkste Partei.
Zur Ausgangssituation: Die Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis Obersteiermark (Murtal, Murau, Leoben, Liezen und Bruck-Mürzzusschlag) konnten zwischen jenen sechs Parteien entscheiden, die auch aktuell im Landtag vertreten sind: ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, Neos und KPÖ. Das G`riss um die Mandate ist hier besonders groß, denn im Vergleich zur Landtagswahl 2019 hat die Obersteiermark ein Mandat zuungunsten des Wahlkreises Graz-Umgebung verloren. Hintergrund ist die Entwicklung der Bevölkerungszahlen in den jeweiligen Regionen. 13 Mandate werden heuer in die Obersteiermark vergeben, 2019 waren es noch 14. Insgesamt werden 48 Mandate vergeben.
Aktuell sind fünf Politikerinnen und Politiker aus den Bezirken Murtal und Murau im steirischen Landtag vertreten. Nach der Wahl könnten es sechs werden. Als „Fixstarter“ gelten Gabriele Kolar (SPÖ) sowie Manuela Khom und Bruno Aschenbrenner (beide ÖVP). Dem Ergebnis entgegenzittern müssen noch Gernot Esser (SPÖ), Robert Reif (Neos) und der Freiheitliche Thomas Maier. Kein regionales Mandat wird an die Grünen oder die KPÖ gehen.
2019 wählten im Bezirk Murtal übrigens sieben der 20 Gemeinden rot, der Rest war türkis. In Murau gab es nur eine rote Gemeinde – und das war Mühlen.
Mehr zur Ausgangslage der Wahl lesen Sie in unserem großen Dossier.