Es soll eine Art Mini-Österreich sein, eine Republik im Kleinen, die sich am Samstag in einem Hotel in Wien trifft. Die Rede ist vom Klimarat der Bürger, der seine Arbeit aufnimmt. 100 von der Statistik Austria zufällig und repräsentativ ausgewählte Österreicherinnen und Österreicher gehören dem Gremium an, das binnen eines halben Jahres klimapolitische Empfehlungen an die Bundesregierung und eventuell auch direkt ans Parlament erarbeiten soll. Eine Premiere in Österreich, mit der die Politik eine zentrale Forderung des Klimavolksbegehrens umsetzt, das im Jahr 2020 rund 380.000 Unterschriften sammeln konnte.
Ziel der Übung soll es sein, über einen partizipativen Prozess „ein klimagesundes Österreich“ zu erreichen, wie es Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) formuliert. „Denn vieles, was wir heute noch tun, ist nicht gesund. Klimapolitisch geht noch mehr, es muss auch noch mehr gehen.“ Helfen sollen dabei eben die 17 bis 79 Jahre alten Mitglieder des Klimarats, der an sechs geblockten Wochenenden abwechselnd in Wien und Salzburg tagen wird. Unterstützt werden die Bürger aus allen Landesteilen und sozialen Schichten von einem 15-köpfigen wissenschaftlichen Beirat und 15 geschulten Moderatoren. Sie werden sich entlang von Themenblöcken wie Mobilität, Ernährung und soziale Gerechtigkeit durch die Thematik arbeiten und möglichst unabhängig von politischen oder interessengesteuerten Einflüssen Vorschläge entwickeln, wie Österreich bis 2040 klimaneutral werden kann.
Forderungen an die Politik
Eine derartige Bürgerbeteiligung sei unabdingbar, sagt Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens. „Man muss sich vergegenwärtigen, dass Österreich binnen 18 Jahren klimaneutral werden soll. Das geht nicht ohne die Einbindung der Bevölkerung.“ Das Potenzial des Klimarats, auch zur Stärkung des Vertrauens in die Demokratie, schätzt sie als „enorm“ ein. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass das Gremium qualitativ hochwertig, transparent und für alle sichtbar arbeite. „Und die Empfehlungen müssen von der Politik ernst genommen werden. Wir erwarten uns da, dass die Regierung den Umgang mit jedem erarbeiteten Vorschlag ausführlich begründet“, sagt Rogenhofer. Eine Forderung, der Gewessler postwendend eine Zusage erteilte, wenngleich sie klarstellt: „Die Entscheidungen werden am Ende im parlamentarischen Prozess fallen.“
„Die Gesellschaft umbauen“
Für den Innsbrucker Klimaforscher Georg Kaser, als langjähriger IPCC-Autor Mitglied des wissenschaftlichen Beirats, ist die Dringlichkeit riesig. „Die bisherigen Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um das Klimaziel zu erreichen. Hier und dort etwas nachzujustieren, genügt nicht. Wir müssen die Gesellschaft umbauen, sonst drohen wir als Menschheit das Spiel zu verlieren.“ Wenn die erarbeiteten Vorschläge nach einem halben Jahr auf dem Tisch liegen, sei die Politik gut beraten, bei der Frage der Umsetzung weiter auf Fachkompetenz zu setzen. „Es wird nur noch zehn bis 20 Jahre dauern, bis wir sehen, ob wir von der Klimakrise in eine Klimakatastrophe schlittern.“
Gute Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungen haben die Bürgermeister von Tulln und Ober-Grafendorf gemacht (beide in NÖ). Peter Eisenschenk (ÖVP) lässt etwa nach einem monatelangen Partizipationsprozess Parkplätze im Tullner Ortszentrum in Wohlfühlzonen für Menschen umwandeln, zudem weist die Stadtgemeinde kein neues Bauland außerhalb der bestehenden Siedlungsgrenzen mehr aus. Getan sei es damit aber nicht, sagt Eisenschenk: „Klimaschutz bedeutet auch die Abkehr von Gewohnheiten und Verzicht. Das muss man ehrlich kommunizieren.“ Der Ober-Grafendorfer Bürgermeister Rainer Handlfinger (SPÖ) ließ ebenfalls mehrere BürgerInnenräte einrichten und staunte selbst: „Es ist gewaltig, was da alles an guten Ideen eingebracht und in der Folge mitgetragen wird.“
Freude bei Umweltorganisationen
Die Umweltorganisationen Greenpeace und Global 2000 nehmen die Initiative erfreut auf. Global 2000 spricht in einer Aussendung von einer großen Chance, in viele verfahrene Diskussionen wieder neuen Schwung zu bekommen. Greenpeace begrüßt die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, sich an der Suche nach Lösungen für eine grüne und nachhaltige Zukunft zu beteiligen.
Die Neos begrüßen indes, dass mit dem Klimarat auch eine ihrer Initiativen umgesetzt werde. Seitens der SPÖ begrüßt man den Klimarat ebenso, verweist aber auf das immer noch fehlende Klimaschutzgesetz. Die FPÖ sieht hingegen ein Schattenkabinett geschaffen, das ohne jegliche demokratische Legitimation weitreichende Empfehlungen abgeben solle.