Seit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag in einem Interview seine Zugänge zur Klimapolitik dargelegt hat, bricht die Diskussion nicht mehr ab. Der Kanzler meinte, dass Verzicht nicht der Weg sein könne, das Klima zu retten, es gehe auch ohne. „Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen“, sagte Kurz und warnte andernfalls vor einem „Weg zurück in die Steinzeit“.
Stimmen diese Aussagen? Lassen sich Österreichs Klimaziele allein durch Innovation und Technik erreichen?
Bis 2040 soll Österreich laut Regierungsprogramm klimaneutral sein, also seinen Treibhausgasausstoß auf annähernd Null absenken. Um das zu erreichen, müssten die Emissionen ab sofort jedes Jahr um mehr als vier Millionen Tonnen sinken. Eine Technik, die das bewerkstelligen würde, existiert bislang nicht und sei auch nicht zu erwarten, wie Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wirtschaftsuni Wien, sagt. „Dieser Ansatz greift auf jeden Fall zu kurz. Es klingt nach einem blinden Setzen auf Technologie, ohne das mit Inhalten zu hinterlegen.“ Dass viel Kraft in innovative Technik investiert werden müsse, sei unbestritten. „Aber ohne das mit Strukturmaßnahmen zu unterfüttern, ist ein Erreichen der Klimaziele aussichtslos. Etwas anderes zu behaupten, ist unökonomisch und auch verantwortungslos.“
Warum Technik alleine nicht genügt
Ähnlich sieht das der Grazer Klimaökonom Karl Steininger. „Innovation ist zentral, aber man darf sie nicht auf die Technologie beschränken.“ Um Österreichs Klimaziele zu erreichen, sei eine Halbierung des Energieverbrauchs erforderlich. „Das ist mit Technik alleine nicht machbar. Das kann man gut am Beispiel Verkehr beobachten“, sagt Steininger. So hat die Technik die Motoren der Autos über die Jahre zwar sparsamer werden lassen. Doch ein guter Teil dieses Umweltvorteils wird dadurch zunichtegemacht, dass im Gegenzug immer mehr, immer schwerere und immer stärkere Pkw gekauft werden. Rebound-Effekt nennt das die Ökonomie: Effizienzsteigerungen machen eine Energiedienstleistung billiger, und was billiger ist, wird intensiver nachgefragt. Durchbrechen lässt sich das nur, indem an den zugrunde liegenden Strukturen geschraubt wird.
Müssen wir dafür am Ende also doch verzichten? „Definieren Sie bitte Verzicht“, entgegnet Stagl. „Wir werden unsere Bedürfnisse weiter gut erfüllen können, allerdings nicht immer auf die gleiche Weise wie heute.“ Mit Verzicht gleichzusetzen sei das nur, wenn man glaubt, das derzeitige Zustand mit unserem Fleischkonsum, unserem Mobilitätsverhalten und unseren Schadstoffausstößen sei optimal. „Das stimmt aber nicht“, sagt Stagl.
Steuerumgestaltung als Baustein
Eine Verzichtsdiskussion findet auch Steininger nicht angebracht. „Es geht um die Frage, wie wir künftig unsere Bedürfnisse stillen. Und das werden wir zum Teil auf bessere Art tun als heute.“ Als wichtigen Baustein dafür sehen die Ökonomen eine ökosoziale Steuerreform, die kontraproduktives Verhalten verteuert und klimaschonendes vergünstigt. „Es braucht ein Denken in Infrastrukturen, das kann man nicht wegwischen und einfach auf die Technik verweisen“, sagt Stagl.
Einen drohenden Weg zurück in die Steinzeit kann auch das österreichische Klimaforschungsnetzwerk CCCA nicht ausmachen. Das Gegenteil sei der Fall, heißt es in einer Stellungnahme. Die Aussagen des Kanzlers stünden im Widerspruch zu den internationalen und nationalen Studien.