Die wochenlangen Proteste gegen das Murkraftwerk in Graz haben am Montag in einem Grazer Bezirksgericht ein gerichtliches Nachspiel gehabt. Zwei Projektgegner, Fotograf Franz Keppel sowie Romana Ull, Vizepräsidentin des Naturschutzbund Steiermark, mussten sich zivilrechtlich wegen Besitzstörung verantworten. Außerdem sollen sie eine Unterlassungserklärung abgeben. Ull akzeptierte, Keppel nicht.
Kläger ist die Murkraftwerk Graz Errichtungs- und BetriebsgmbH, eine Tochtergesellschaft der Energie Steiermark Green Power, der Energie Graz und der Verbund Hydro Power. Man warf Keppel - er ist auch als Betreiber des YouTube-Kanals "Huchenfranz" bekannt - und Ull vor, die Baustelle für das Murkraftwerk ohne Erlaubnis betreten und die Bauarbeiten blockiert zu haben. Daher forderten sie vor Gericht eine Unterlassungserklärung. Auch andere Personen und Aktivisten wurden schon verklagt. "Die meisten haben die Unterlassung akzeptiert", so ein Sprecher der Errichtungsgesellschaft.
Wirbel im Gerichtssaal
Doch noch ehe es zu den beiden Verhandlungen kam, gab es einen Wirbel im Gerichtssaal. Rund zwei Dutzend Zuschauer und Medienvertreter waren gekommen, aber der Saal bot zu wenige Sitzplätze. Die Richterin ließ daraufhin aus Sicherheitsgründen nicht alle Zuhörer zu: "Ich diskutiere nicht. Wenn der Saal voll ist, ist er voll." Empört verließen manche wieder den Saal: "Bei so einem wichtigen Prozess, so ein kleiner Saal."
Grünen-Abgeordneter Werner Kogler hatte sich ebenfalls unter die Zuschauer gemischt und brachte sich bei der Richterin mit einem Wunsch nach einem größere Saal ein. Letztlich begannen die ersten Tagsatzungen dann doch, obwohl einige Zuschauer auf dem Boden Platz nahmen oder stehen blieben.
Murkraftwerk: Aktivisten stürmen die Kraftwerksbaustelle
"Pressearbeit ausgeübt"
Zuerst schilderte der Verteidiger von "Huchenfranz" die Sichtweise seines Mandanten: "Er hat als Beobachter teilgenommen - und es waren auch rund 100 Aktivisten und Journalisten am Gelände." Er habe Pressearbeit ausgeübt, weshalb es ihm im Verfahren um die Pressefreiheit gehe.
Als strittig entpuppte sich eine nicht eingehaltene 30-tägige Frist der klagenden Partei. Anwalt der Kraftwerkserbauer Bernhard Lehofer zufolge habe es deshalb so lange gedauert, die Klage zuzustellen, weil erst intensive Recherchen die vollen Namen und Anschriften von Ull und Keppel zutage gebracht hätten.
Ull entgegnete der Darstellung der Kläger, die Energie Steiermark habe sehr wohl gewusst, wer sie sei: "Ich habe ihnen sogar eine Visitenkarte von mir übergeben." Außerdem seien sie und Keppel "herausgepickt" worden, weil sie die Gesichter des Widerstands seien.
Nur nach Nattern gesucht
Sie habe nie einen Baustellenzaun überklettert und habe nicht bewusst fremden Besitz betreten. Ull unterstrich, dass sie mit der Baustellen-Besetzung vom 15. Februar nichts zu tun habe: "Ich war unabhängig davon nur bei dem Infostand." Außerdem habe sie bei der Uferböschung nach den geschützten Würfelnattern gesucht.
Lehofer blieb dabei, dass Ull in einem abgesperrten Bereich gewesen sei und den Baufortschritt blockiert habe. Keppel sei ein "selbst ernannter Journalist", der sich seine Presseermächtigung selbst geschrieben habe: "Das ist ja kindisch."
Ull will Unterlassung akzeptieren
Während bei Keppel ein weiterer Verhandlungstag geplant ist, sagte Ull am Montag zu, die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Sie behielt sich aber vor, das noch mit einem Rechtsanwalt zu besprechen.
Bei einem anschließenden Pressegespräch der Plattform "Rettet die Mur" zusammen mit Ull und Keppel schilderten die beiden noch einmal im Detail ihre Sichtweise. Ull zufolge sollen die Klagen den Widerstand schwächen. Keppel bestritt, Aktivisten aufgestachelt zu haben: "Ich habe nichts gemacht, außer fotografiert und gefilmt. Ich kann deswegen ja nicht als Rädelsführer hingestellt werden. Ja, ich war sicher ein Zeck, aber das bin ich gern, weil es wichtig ist, dass die Bilder an die Öffentlichkeit kommen.
10 Gegner angeschrieben
Laut Kraftwerks-Errichtern wären zehn Aktivisten aufgefordert worden, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Kostenpunkt: jeweils rund 100 Euro. Die meisten hätten unterschrieben.
Auch sind keinen weiteren Vorfälle auf der Baustelle gerichtsanhängig. Nur in einem, länger zurückliegenden Vorfall, ist noch zu verhandeln: Ein Bauarbeiter soll bei Protesten verletzt worden sein.