Diese Fahrt endete mit einem Krankenstand: Eine Woche ist es her, dass fünf Schulklassen aus dem Grazer Gymnasium Lichtenfels nicht mit der Eisenbahn nach Wien fahren durften. Eine (vermeintliche) Reservierung stellte sich als ungültig heraus, der Zugbegleiter musste letztlich 150 Kinder und deren Begleiter wieder aus dem Zug komplimentieren (bzw. nicht einsteigen lassen).
Der Zug fuhr mit 44 Minuten Verspätung ab, zuvor hatte es Hektik und Diskussionen, Anschuldigungen und hitzige Worte gegeben. "Die Sätze, die dem Zugbegleiter gesagt wurden, waren unter aller Kritik. Er hat meinen allergrößten Respekt, wie er versuchte, diese Eskalation in Griff zu bekommen", schildert eine Augenzeugin.
"Es gab verbale Attacken gegen mich", bestätigt auch der erfahrene Zugbegleiter, der nicht namentlich genannt werden will. Ein Ausnahmezustand also, wie ihn der Schaffner in seiner jahrzehntelangen Berufslaufbahn nur selten erlebt hatte. In Wien ging er außer Dienst. Der Steirer fühlte sich psychisch nicht mehr imstande, bei der Rückfahrt die Verantwortung für die Fahrgäste zu übernehmen.
Und diese ist groß. "Ich bin verantwortlich für die Sicherheit im Zug. Ich wollte die Schüler ja unbedingt mitnehmen, aber ich durfte nicht. Das war aus reservierungstechnischen Gründen nicht möglich. Die Waggons wären übervoll gewesen, ich wäre nicht mehr zu den Sicherheitseinrichtungen wie dem Feuerlöscher und der Beschallung gekommen. Die Übergänge und die Türen müssen immer frei sein. Wäre etwas passiert, wäre ich schuld gewesen."
"Mitarbeiter hat richtig gehandelt"
Dies bestätigt auch Erich Mair, Teamleiter der rund 130 steirischen Zugbegleiter (etwa 1400 sind es österreichweit). Dass Züge wegen Überfüllung geräumt werden müssen, komme vor, selten aber doch. "Vielleicht dreimal im Jahr", wie Mair erklärt, vor allem auf der Westbahn. "Aber nicht in dem Ausmaß, dass Mitarbeiter auch angegriffen werden." Sein Kollege habe jedenfalls richtig und umsichtig gehandelt. Mitarbeiter wie er, die so unmittelbar mit Kunden zu tun hätten und teils als Krisenmanager tätig seien, würden zweimal im Jahr speziell geschult.
Mair ortet viel mehr "systemische Probleme", etwa bei den Reservierungen und dem Umgang mit jener Buchungskarte, mit der die Schulen ausgestattet sind.
"Das war eine Ausnahme"
Für die ÖBB kommen derzeitige Nachrichten nicht überraschend, aber ungelegen (zumal der Bahnverkehr nach den mageren Pandemiejahren wieder anzieht). Dementsprechend wenig Freude hat man beim Konzern in Wien, dass Zugbegleiter aus dem Nähkästchen (und den vollen Waggons) plaudern. Veröffentlichte Erfahrungsberichte von Schaffnern sind nicht erwünscht, das mediale Begleiten eines Zugbegleiters ist (zumindest kurzfristig) nicht möglich.
Offizielle Stimme ist in diesem Fall Bernhard Rieder, Pressesprecher mit den Schwerpunkten Personenverkehr, Postbus, Produktion und Technische Services in Wien.
Der konkrete Fall sei ein "Spezialfall", eine Ausnahme. Die Genese müsse erst genau rekonstruiert werden. Lieber als über die tumultartigen Szenen Montagfrüh spricht er über die vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben der Zugbegleiter. Diese bestimmen grundsätzlich, ob Züge überhaupt abfahren dürfen. "Sie sind auch verantwortlich für die Sicherheit in den Zügen und die klassische Ticketkontrolle, sie sind Ansprechpersonen für die Fahrgäste." In den Jahren der Pandemie kamen weitere Aufgaben hinzu, vor allem die Kontrolle der Maskentragepflicht. Unliebsame Wortduelle gab es unzählige, mit Maskenverweigerern ebenso wie mit Fahrgästen, die sich durch diese gesundheitlich bedroht fühlten.
"Im Mikrokosmos Waggon müssen aber die Zugbegleiter ihre Regeln durchsetzen", betont Rieder. "Sie sind extrem gefordert, ausgleichend zu wirken. Sie brauchen menschliches Einfühlungsvermögen und Durchsetzungskraft." Und starke Nerven sowieso, nicht nur in bummvollen Railjets mit 400 Personen.
"Das Beratungspersonal wird aufgestockt"
Aber was hat man bei den Bundesbahnen nach einem Rekord-Mai (es gab laut Rieder um 15 Prozent mehr Fernverkehrsgäste als noch im Mai 2019) vor, um das Kundenservice zu verbessern, um etwaige Fehler im System auszumerzen? Oder, wie im konkreten Fall, es zu ermöglichen, binnen vier Wochen eine verbindliche Antwort über den Status einer Reservierung zu erhalten?
Das Personal für telefonische Auskünfte wurde aufgestockt, um 30 Prozent in den letzten beiden Monaten. "Es gab Wartezeiten, die waren nicht mehr akzeptierbar", gesteht Rieder. Die Hotlines sind nun von 6 bis 24 (statt bisher 21 Uhr) Uhr besetzt. Zudem soll der komplexe Online-Ticketshop stetig vereinfacht werden.
"Schnellere Auskünfte"
Und gerade bei Anfragen von Schulen will man, nachdem man offenbar von der großen Nachfrage am falschen Fuß erwischt wurde, die "Response Rate" verbessern. Was das heißt: "Dass es künftig vielleicht schnellere und klarere Auskünfte gibt."
Verpflichtete Reservierungen für alle seien jedenfalls kontraproduktiv, diese würden den Kunden die Flexibilität nehmen und das System schädigen. "Wir bitten unsere Gäste aber, freiwillig zu reservieren."
Und der steirische Zugbegleiter? Da bekräftigt Erich Mair: "Wir stehen voll hinter ihm."