Bei der Gemeinderats- und Bezirksratswahl in 17 Bezirken am Sonntag werden mit 222.856 Grazern und Grazerinnen (2012: 209.895) so viele wie noch nie wahlberechtigt sein. Inkludiert sind 26.456 stimmberechtigte EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Graz.
Die wichtigsten Themen im Wahlkampf waren:
Der einzige Dauerbrenner im - kurzen - Grazer Gemeinderatswahlkampf war das Murkraftwerk. Und es wird Stadt- und Landespolitik über den Wahltag hinaus beschäftigen. Das Murkraftwerk führt letztlich auch zum Bruch, weil man kein Budget zustandebrachte - deshalb musste man die Neuwahlen vorziehen. Vor allem KP und Grüne stemmten sich gegen das Projekt, VP, SPÖ und FP sind dafür.
Ein weiterer Dauerbrenner der in einem nach Süden offenen, natürlichen Becken gelegenen Stadt Graz ist die Luftbelastung. Besonders der Feinstaub war kaum thematisiert, aber drängte sich in der durch den Frost bedingten Inversionswetterlage im Wahlkampfmonat Jänner geradezu ins Bewusstsein und die Atemwege der Menschen - fast dauerndes Zweitheizungsverbot, rund 20 Überschreitungstage kamen im noch jungen Jahr 2017 schon zusammen.
Öffis und Verkehr und Luftgüte korrelieren in Graz wie in anderen urbanen Beckenlagen. Obwohl eine massiv ausgebaute S-Bahn und erweiterte Takte das Pendeln leichter und schneller machten, blieb der erforderliche große gemeinsame Wurf von Graz, den Umlandgemeinden und dem Land aus. Das Herein- und Hinausfluten des Individualverkehrs über die Ries, über Waltendorf und Andritz oder über die großen Nord- und Südeinfallsachsen oder im Westen die arg belastete Steinbergstraße schreit geradezu nach Maßnahmen mit Unterstützung des Landes und des Bundes - wie etwa in Linz oder Innsbruck.
In Graz schob man sich gegenseitig die Verantwortung zu, große Tram-Projekte (bis auf den Ausbau der Linie 4 bis zum Murpark, Anm.) brauchen Jahrzehnte. Selbst zu Kleinigkeiten wie einem Warteraum für Bus-Pendler am zentralen Andreas-Hofer-Platz reichte es nicht.
Ein früherer Aufreger, nämlich die Eigentümerschaft bzw. die Ausgestaltung der Reininghaus-Gründe im Grazer Westen ist ein wenig aus der Wahrnehmung entschwunden - die baldig realisierte Verkehrsanbindung dazu mittels Tram allerdings auch. Wiewohl alle Parteien den Öffi-Ausbau auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Dabei gab es durchaus Fortschritte durch engagiertes Handeln der Stadtpolitik: Durch den Zwist mit der Verbundgesellschaft über aus dem Kraftwerk Mellach gelieferte Fernwärme für die Stadt resultierte eine eigene Stadt-Strategie zur sauberen Energieaufbringung: Eine Leitung aus der Papierfabrik Sappi im nördlich gelegenen Gratkorn wurde begonnen, heuer soll sie fertig sein. 15 Prozent soll zum Fernwärme-Bedarf beigetragen werden - eine Lösung Marke rasch und unaufgeregt.
Integration, Asyl und Ausländer haben bisher kaum eine Rolle im Wahlkampf gespielt. Auch das früher vehement gespielte Bettler-Thema wurde kaum aktiviert, obwohl die Zahl der bettelnden Menschen in der Stadt zugenommen hat. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass man mit den in Graz recht aktiven Identitären nicht in einen Topf geworfen werden wollte.
Das Überlaufen des unauffälligen, früheren Grazer Kulturstadtrats und SPÖ-Klubchefs Michael Grossmann im Jänner als "unabhängiger" Unterstützer in die Reihen der Nagl-ÖVP könnte als einer der wenigen Höhepunkte bezeichnet werden, allerdings ist es eher ein fraglicher "Coup".
Eine kleine Überraschung ist auch das Lancieren von Exitpolls im Finale des Wahlkampfs - diese Strategie ist schon früher einmal bei einer anderen Wahl schief gegangen.
Dass der Grazer Wahlkampf überwiegend unspektakulär und auch ohne große Untergriffe verlaufen ist, zeigte das Wahlkampfmonitoring des Menschenrechtsbeirats der Stadt: Von 160 beobachteten Themen im Diskurs der Parteien gab es nur einmal Rot nach dem Ampelsystem, für die FPÖ, ansonsten aber sogar durchaus Lob für konstruktive Vorschläge der Blauen.
Auffällig war der häufige Wechsel der Partner für die stimmenstärkste Partei ÖVP und ihren Bürgermeister während der vergangenen Jahre. 2012 ging die Koalition von Nagl mit der Grünen Lisa Rücker in die Brüche, im Herbst des Jahres wurde neu gewählt.
Die ÖVP verlor, blieb aber stärkste Partei und versuchte es mit FPÖ und SPÖ. Die FPÖ stieg schon 2014 aus dem "Stabilitätspakt" mit ÖVP und SPÖ aus. So brauchte Nagl Mitte Mai 2014, für das Doppelbudget 2015/2016, neue Partner. Die Grünen - durch Schaden klug - gingen nicht mit, die KPÖ sprang ein. Sie ereilte allerdings im Herbst 2016 das Schicksal bisheriger Paktpartner Nagls, als es um das neue Budget ging.
Insgesamt treten in Graz zehn Listen an, auch die Neos. Die Piraten wollen wieder in den Gemeinderat einziehen.
Peter Kolb