Politik mit Leidenschaft: Das erlebten die Zuseher der Grazer Wahlarena der Kleinen Zeitung Donnerstagabend in der Aula der Uni. Dabei gleicht die Ausgangslage für die zehn Listen am 5. Februar "einem Albtraum. Die Grazer wechseln von Wahl zu Wahl und halten nichts von politischer Monogamie", skizzierte Chefredakteur Hubert Patterer.
Mit offenem Visier stellten sich daher Titelverteidiger Siegfried Nagl (ÖVP), Herausforderer Mario Eustacchio (FPÖ) und seine Konkurrentin KP-Vizebürgermeisterin Elke Kahr sowie die neuen Speerspitzen ihrer Fraktionen, Michael Ehmann (SPÖ) und Tina Wirnsberger (Grünen), den Fragen.
Eine junge Jury und die Journalisten Claudia Gigler, Christian Weniger, Bernd Hecke und Didi Hubmann klopften die Kandidaten ab. Dabei ließ Stadtchef Nagl aufhorchen: Er sagte, der (Wieder-)Einstieg des Verbunds in das umstrittene 80-Millionen-Euro-Projekt Murkraftwerk ist fix. Das Ausmaß? "Bis zu 25 Prozent, die formalen Beschlüsse fallen in den nächsten Tagen." Den Bürgermeister freue persönlich, dass 1800 Leute durch den Kraftwerksbau Arbeit haben. "Sie plakatieren nur Hoffnung, davon kann man sich nichts kaufen", fuhr Nagl Kahr an. Dessen ungeachtet, forderten Grüne und KPÖ, die Grazer unbedingt abstimmen zu lassen.
Kahr: Weiche Drogen legalisieren
Am Thema Sicherheit schieden sich die Geister: Wirnsberger wünschte sich in Graz "Fair-Play-Teams" aus Sozialarbeitern und Polizisten. KP-Vizebürgermeisterin Kahr überraschte: Sie würde der Legalisierung weicher Drogen zustimmen. "Das sagen mir Polizisten in den Wachzimmern", schilderte die Politikerin. Eine Legalisierung von Marihuana etc. würde die Bürokratie in der Polizei eindämmen.
"Hat Nagl keine eigenen Leute?"
Es knisterte ebenso am Podium, als Nagl und Ehmann zum jüngsten VP-Personalcoup befragt wurden: Die Schwarzen haben ja den einst roten Kulturstadtrat Michael Grossmann als ihren neuen und unabhängigen Kulturmann vorgestellt. "Hat er keine eigenen Leute?", ätzte der SP-Chef. Vertrauensbildend sei die Sache sicher nicht gewesen.
Das vorzeitige Ende einer künftigen Politehe bedeutet es aber nicht: "Wenn wir uns in unseren Positionen wiederfinden ...", wollte der rote Wahlkämpfer nichts ausschließen.
Eine Hauptrolle in der Wahlarena spielten ebenso die jungen Juroren und Wahlbeobachter Lejla Hodzic, Susanne Hofer, Julia Bergmann, Michael Haas, Michael Schäfl, Marie Tanacek und Daniela Schmid. Sie hielten Verkehrsstadtrat Eustacchio zum Beispiel trocken vor, seine Arbeit wäre "nicht von Erfolg gekrönt gewesen". Das Feinstaubproblem wäre ja ungelöst und der Straßenbahnausbau sehr überschaubar.
Linienverlängerung bis 2019
Der Freiheitliche hielt anfangs mit dem Radwegeausbau und dem Tausch der Busflotte dagegen. Später ließ er sich auf die Ansage ein, die neuen Straßenbahnlinien nach Reininghaus und zur "Smartcity" würden bis 2019 kommen. Philip Pacanda (Piratenpartei) reichte das nicht: Er tritt für Eingemeindungen ein, das Tramnetz müsse bis ins Umland reichen.
Kommt Schwarz-Blau, wovor Wirnsbergers Grüne plakativ warnen? Nagl konnte sein Unbehagen mit FPÖ-Positionen nicht verbergen, und sein Herausforderer wollte diese Rolle nicht ablegen.
Am Ende würden aber sachpolitische Fragen über diese Zusammenarbeit entscheiden, meinten Eustacchio und Nagl. "Er hat das Geld – und wir die Lösungen", bot sich Niko Swatek (Neos) frech als künftiger Koalitionspartner an.
Rot lobt Grün
Rot und Grün tun sich da leichter. "Er ist ein grader Michl", lobte die Grüne den Roten. Sozialreferent Ehmann bemühte sich unterdessen, sich von der KPÖ abzugrenzen. Zumindest bei der Jury, die nach jedem Duell abstimmte, konnten seine Argumente für eine fortschrittliche Sozialpolitik (Stadt als aktiver Arbeitgeber) und "gegen die Gießkanne" mehr überzeugen.
Einig waren sich die kleineren Fraktionen, dass die Bürgerbeteiligung in Graz hinterherhinkt. "Die Bürger soll man wieder ernst nehmen", trat Gerhard Mariacher von der Liste „Wir“ für mehr Transparenz ein.
Groß sind die Unterschiede der Fraktionen bei der Integration. Während die Blauen überzeugt sind, dass "eine offene Multikultigesellschaft nirgendwo funktioniert", forderte Einzelkämpferin Tatjana Petrovic, die Integration breiter auszulegen. Die Bildung sei ein Schlüssel, gab es in diesem Punkt beinahe Einstimmigkeit. Wobei "mir zwei Lehrer im Klassenzimmer wichtiger sind als zwei Kreuze", polterte Ehmann (SP).
Wer hat die höchste Pension?
Mit "einer Frage, die wir Ihnen nicht ersparen können", wandte sich "City-Mail"-Autor Weniger an die Kandidaten. Bei Langzeitbürgermeister Nagl bohrte er nach, wie das denn mit Politikern gemeint war, die nach zwei Perioden gehen sollten. Nagl räumte ein, er habe damals eine Gesamtreform nach Vorbild Schweiz vorgeschlagen.
FP-Stadtrat Eustacchio wurde die Frage nach Grazer Altpolitikern mit der höchsten Pension gestellt. Ihm fielen zuerst nur SPÖ- und ÖVP-Leute ein. Tatsächlich liegen zwei Freiheitliche an der Spitze, erinnerte Weniger, während Redaktionshündin Paula an der Leine zog.
Auf dem Podium fand sich neben Nagl KPÖ-Vizebürgermeisterin Elke Kahrund FPÖ-StadtratMario Eustacchio, die als aussichtsreichste Wahlwerber um Platz zwei gelten. Ebenfalls auf dem Prüfstand, die beiden Neu-Einsteiger ins Spitzenfeld der Stadtpolitik,Michael Ehmann (SPÖ) und Tina Wirnsberger (Grüne).
Auch die fünf kleinen Listen präsentierten sich an diesem Abend: Philip Pacanda (Piraten) verteidigt sein Gemeinderatsmandat, Niko Swatek (Neos) will neu in den Gemeinderat einziehen. Und auch Tatjana Petrovic, Gerhard Mariacher (Liste "Wir") und Rainer Maichin (Liste "Einsparkraftwerk") rittern um die Stimmen der Grazerinnen und Grazer.