Es war der unverhoffte Erfolg eines Spaßprojekts: Vor zwei Jahren landete Resi Reiner mit "Ich will nach Italien" einen kleinen Sehnsuchts-Sommerhit, von dem sie selbst überrascht war. Im Vorjahr packte sie den Song mit drei anderen Liedern auf die EP "echsestieren" und spielte erste Konzerte. Nun erscheint ihr erstes Album "Weißt Du was ich mein?" - ein beglückendes Kleinod voll bezaubernder Melodien und schlicht-schönen Textzeilen.
"Die Platte ist eigentlich ziemlich traurig und gleichzeitig lustig und schön geworden", umreißt die 27-Jährige im APA-Interview die atmosphärische Spannweite ihres Debüts. Tatsächlich balancieren die neun Tracks auf dem schmalen Grat zwischen Euphorie und Melancholie. "Aber so ist ja auch das Leben", sagt sie achselzuckend. Hört man die mit hohem Mitsumm-Faktor ausgestatteten Songs, hat man das Gefühl, dass Reiner ihr Herz auf der Zunge trägt. Authentizität sei ihr extrem wichtig: "Ich würde über nichts schreiben, was nichts mit mir zu tun hat, weil ich mich halt dort auch nicht auskenne." Dass dieser Zugang auch seinen Preis hat, versteht sich von selbst, "denn wenn mich jemand kritisiert, dann trifft mich das halt auf der persönlichsten Ebene."
Bei aller Emotionalität wird es aber nie gefühlsduselig oder kitschig, ihre Texte wirken fast wie hingeworfen und bestechen durch sprachliche Schlichtheit, ohne banal zu sein. Es geht um ausgelassene Nächte mit Freunden ("Bar Royal"), bleierne Traurigkeit ("Echsestieren"), pure Lebenslust ("E-Roller") oder tiefen Kummer ("Dunkles Herz"). Hymnen auf einen Espressokocher ("Bialetti") und ein Antidepressivum ("Trittico") können auf dieser Platte wunderbar koexistieren. Aber selbst letzterer Song über Schlaf- und Angststörungen kommt bei Reiner leichtfüßig, fast verspielt daher. "'Trittico' behandelt eigentlich ein sehr ernstes Thema, aber man muss es aufweichen. Ich wollte erzählen, dass es mir schlecht gegangen ist, ohne zu erzählen, wie schlecht alles war. Denn es gibt ja auch eine Lösung."
Musikalisch arbeitet die Sängerin mit Florian Sievers aka Das Paradies, Gunther Müller und Albrecht Schrader, Mitbegründer des deutschen Labels Krokant, bei dem "Weißt Du was ich mein?" auch erscheint, zusammen. Sie schaffen mit extrem süffigen, weil wahnsinnig harmonischen und eingängigen Melodien und gut dosiertem Synthie-Sound den perfekten Klangteppich, über dem Resi Reiner ihre klare wie sanfte Stimme schweben lässt.
Dass ihr Liedgut schon mal in die Nähe des Schlagers gerückt wird, stört die Interpretin keineswegs. Das Genre sei nur so verschrien, "weil es das Ballermann-Ding gibt". Ihre musikalische Verortung liege aber mehr im "guten alten Schlager". Reiners Lieblingslied ist "Ich liebe das Leben" von Vicky Leandros - und das versteht sie nicht als Guilty Pleasure. "Dieser Song hat so viel Selbstermächtigung, ist so rührend, so schön, so traurig und so glücklich gleichzeitig. Mein Ziel sei es, einmal ein Lied zu machen, "das so arg ist wie 'Ich liebe das Leben'".
Eigentlich hätte Reiners künstlerischer Weg auch anders ausschauen können. Denn als Kind spielte die gebürtige Grazerin und nunmehrige Wahl-Wienerin im Kinohit "Karo und der Liebe Gott" die Hauptrolle. Danach kamen einige kleinere Rollen. Aber so richtig für eine Schauspielerinnenkarriere wollte sie sich dann doch nicht entscheiden, denn bei Castings habe sie auch viel Zurückweisung erlebt. "Da habe ich gemerkt, dass mir das nicht so gut tut." Singen habe sie eigentlich auch nie wollen, aber aus Jux entstand dann "Ich will nach Italien" (Reiner: "Ich liebe Italien einfach, da bin ich ganz ugly Mainstream") - damals noch mit dem Journalisten Robert Treichler mit an Bord. Angespornt vom regen Erfolg folgten "Tischtennis" als eine Art musikalische Beziehungsmetapher, der Hitze-Hangover-Song "Richtig Sommer" und "Naja geht so" mit der schönen Zeile "Mein Laster ist schon lange Zeit die Orientierungslosigkeit", die sich auf der EP "echsestieren" versammeln.
Und schon war Resi Reiner Teil des Popbusiness mit allen anfänglichen Überforderungen. "Die ersten Konzerte waren die Hölle. Unser dritter Auftritt war als Support von Madsen bei den Kasematten vor vielleicht 1.500 Leuten. Ich kann mich an nix erinnern. Ich habe nur gezittert und wusste nicht, wo ich hinschauen soll." Eine Rampensau sei sie nicht wirklich und es sei gar nicht so leicht, für sich herauszufinden, "wer und wie man auf der Bühne eigentlich sein will". Inzwischen machen ihr die Gigs aber Spaß.
Gut so, denn mit dem Debütalbum steht nun auch die dazugehörige Tour vor der Tür. Nach dem Auftakt am 30. September in Köln und einigen weiteren Stationen in Deutschland macht Reiner dann im Wiener Konzerthaus (10. Oktober), im Roten Salon in Salzburg (10. November) und im ppc in Graz (11. November) Halt. Und die Schauspielerei? "Wenn mir jemand die Riesenrolle anbietet, würde ich nicht Nein sagen." Ihr Fokus bleibt aber vorerst auf der Musik - selbst wenn es eventuell nicht gleich klappen sollte mit dem großen Erfolg. "Ich arbeite soviel dafür, dass es funktioniert, und stecke soviel rein, dass ich nicht nach dem ersten Album sagen würde: 'Ok passt, hab ich auch ausprobiert, jetzt ist es erledigt für mich.'" Nach dem gelungenen Debüt eine erfreuliche Ansage, die man mit dem Wunsch verbinden möchte, dass Resi Reiners Arbeit bald auch pekuniäre Früchte trägt und nicht nur "ein teures Hobby" bleibt.
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Thomas Rieder/APA